Gleiten

[720] Gleiten, verb. irreg. neutr. Imperf. ich glitt; Mittelw. geglitten. Es bezeichnet eine Bewegung auf einer glatten oder schlüpfrigen Fläche, und ist in einer doppelten Gestalt üblich.

I. Mit dem Hülfsworte seyn. 1) Sich auf oder über einer glatten Fläche leicht fort bewegen. Der Schlitten gleitet auf dem Eise leicht dahin. Der Wein will nicht gleiten, im gemeinen Leben, will nicht hinunter. Auch figürlich in der höhern Schreibart, von einer sanften gleichförmigen Bewegung. Mein kühleres Blut gleitet mit gleichem Laufe in seinen Ufern fort.


– Sanft wie das Morgenroth

Das über frische Rosen gleitet,

Utz.


2) Auf einer glatten oder schlüpfrigen Fläche eine unwillkührliche Bewegung machen, besonders mit den Füßen, für ausgleiten; in der niedrigen Sprechart glitschen, im Nieders. glippen, glisken, in Baiern ränzeln, in Österreich auskrollen, Ital. crollare. Zu seiner Zeit soll ihr Fuß gleiten, 5 Mos. 32, 35. Die Hoffnung des Verächters – ist wie ein gleitender Fuß, Sprichw. 25, 19. Meine Tritte hätten (wären) beynahe geglitten, Ps. 73, 2. Das Pferd, der Ochs ist geglitten. Auch figürlich in der höhern Schreibart; aus Übereilung, aus Unvorsichtigkeit einen Fehler begehen.


Aber bin ich gleich geglitten

Dennoch steh ich wieder auf,

Gryph.


II. Mit dem Hülfsworte haben, sich auf einer glatten Fläche, besonders auf dem Eise, fortbewegen machen, sich auf dem Eise fortgleiten machen, im Hochdeutschen auch schleifen, in Thüringen und Meißen glandern, in Baiern halezen, hälscheln, von hal, schlüpfrig, in andern Gegenden kahscheln, wo auch Kahschel eine solche Schleifbahn ist; im Nieders. fliddern, flindern, im Schwed. kana. Sie haben den ganzen Tag geglitten. Anm. In der ersten Bedeutung lautet es im Nieders. gliden, in den Monseeischen Glossen giliten, im Schwed. glida, im Angels. glidan, im Engl. to glide, im Franz. glisser. Man könnte es füglich von glatt herleiten, wenn man nicht häufige Spuren hätte, daß leiten, welches jetzt nur active gebraucht wird, ehedem auch gehen, reisen, ja sich bewegen überhaupt bedeutet hätte, woraus durch Vorsetzung der Sylbe ge und deren Abkürzung unser gleiten geworden ist. Bey dem Ulphilas ist leithan, im Angels. lithan, im Schwed. lida, im Wallisischen llitro, gehen, bey dem Kero kelitan zurück gehen, weggehen, in den[720] Monseeischen Glossen gilidan reisen, wovon im Nieders. noch das Mittelwort leden, für verwischen, von einer Zeit gebraucht, üblich ist. Im Griech. ist ελευθω gleichfalls ich gehe. S. Leiten, ingleichen Schlitten, welches durch Vorsetzung des Zischlautes aus gleiten entstanden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 720-721.
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