Gönnen

[753] Gönnen, verb. reg. et irreg. act. Imperf. ich gönnete und ich gonnte; Mittelw. gegönnet und gegonnt. Es hat nur noch einige seiner ehemahligen Bedeutungen übrig behalten, und wird in denselben mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache verbunden. 1) Den Besitz einer Sache von einem andern, und überhaupt, eine Veränderung an einem andern gerne sehen, Vergnügen oder doch Zufriedenheit darüber empfinden. Es müssen zu Schanden werden, die mir Übels gönnen, Ps. 40, 15. Willst du meinem Kummer nicht den Trost des Schlafes gönnen? Weiße. Einem nicht die Luft gönnen, ihm nicht die Augen im Kopfe gönnen, im gemeinen Leben, ihm nicht das geringste Gute gönnen. Die vierte Endung kann auch mit dem Bindeworte daß umschrieben werden, doch so, daß das Zeitwort das Wörtchen es bekommt. Jedermann gönnet es ihm, daß u.s.f. In einigen, vielleicht aber nur wenigen Fällen, kann das es auch verbissen werden. Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, daß ich Recht behalte, Ps. 35, 27. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung der Sache. Wem die gött (die Götter) des sigs und der eren günden wolten, in dem 1514 gedruckten Deutschen Livius. Du gonnst mir der ern nicht, Theuerd. Kap. 81. S. Mißgönnen. 2) Verstatten, erlauben, für vergönnen, in einigen Redensarten. Gönne mir, daß ich mich an dir ergetze, Philem. v. 20. Was übrig bleibet von deinen Waisen, denen will ich das Leben gönnen, Jerem. 49, 11. Die Tage, die uns die Vorsehung gönnet, zu leben verstattet. 3) In noch engerer Bedeutung, mittheilen, widerfahren lassen, in der Sprache der gesellschaftlichen Höflichkeit. Gönnen sie uns die Ehre ihrer Gesellschaft, ihres Besuches. Haben sie die Gnade, mir ihre mündlichen Befehle zu gönnen.

Anm. Im Nieders. gunnen, im Angels. geunnan, bey dem Ottfried gionnan. Das g ist aus der Vorsylbe ge entstanden, daher es bey dem Ottfried auch nur onnan, bey dem Notker unnen, im Angels. unnan, im Schwed. und Isländ. unna lautet. In der Bedeutung des Gebens war es ehedem noch häufiger, indem[753] Ottfried, Notker und andere es mehrmahls für geben, schenken, mittheilen gebrauchen. Das g ist in den hauchenden Sprachen schon sehr alt, wir denn auch das Hebr. חן, Gunst, und חנן, sich erbarmen, damit verwandt zu seyn scheinen. Ihre rechnet auch das veraltete minnen, lieben, zu dem Geschlechte dieses Wortes; mit mehrerer Gewißheit lässet sich unser wünschen dahin rechnen, S. dasselbe. Das doppelte n scheinet ein Intensivum zu verrathen, daher es ohne Zweifel zu dem Zeitworte ahnen, empfinden, und dem veralteten Ond, Aund, Geist, gehöret, welche Wörter ehedem zu Bezeichnung mehrerer Veränderungen des Geistes und des Gemüthes gebraucht wurden. S. Ahnden. In der Conjugation dieses Wortes sind die Zeiten und Mundarten sehr verschieden. Die dritte Person des Präsens lautet bey dem Ottfried gan, die dritte der mehrern Zahl im Imperfecto ondun. An andern Orten hat er auch das Zeitwort gionstan, im Imperf. gionsta, wovon unser Gunst noch ein Überbleibsel ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden lautet es noch jetzt im Mittelworte gegonnen. Im Hochdeutschen ist die reguläre Form, ich gönnete und gegönnet die üblichste. Das Hauptwort die Gönnung ist völlig ungebräuchlich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 753-754.
Lizenz:
Faksimiles:
753 | 754
Kategorien: