Grauen (2)

[788] 2. Grauen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur unpersönlich, wenigstens nur in der dritten Person gebraucht wird, und die dritte Endung der Person erfordert, einen mit Schauer verbundenen sinnlichen Abscheu empfinden. Mir grauet vor der Speise, wo es im gemeinen Leben auch zuweilen für ekeln gebraucht wird. Ich sehe im Hause Israel, da mir für grauet, (wovor mir grauet,) Hos. 6, 10. Es grauet mir, wenn ich ihn nur nennen höre. Ingleichen, eine mit einem Schauer verbundene Furcht empfinden. Mir grauet oder es grauet mir vor der Arbeit. Allen Menschen grauet vor den Gespenstern. Wo es im gemeinen Leben oft absolute gebraucht wird, Furcht vor den Gespenstern empfinden, welche alle Mahl mit einem Schauer der Haut verbunden ist. Grauet dir? d.i. vor Gespenstern, befürchtest du Gespenstern zu begegnen? Aber, für fürchten überhaupt, selbst einen höhern Grad der Furcht zu bezeichnen, ist es im Hochdeutschen ungewöhlich. Daß den Moabitern grauete vor den Kindern Israel, 4 Mos. 22, 3. Hab ich mir grauen lassen vor der großen Menge? Hiob 31, 32. Laß dir nicht grauen für (vor) ihnen, denn der Herr ist unter dir, 5 Mos. 7, 21. Ihren Königen soll vor dir grauen, wenn ich mein Schwert wider sie blinken lasse, Ezech. 32, 10. Der Infinitiv ist in Gestalt eines Hauptwortes, statt des niedrigern Grauel, in den angezeigten Fällen gleichfalls üblich. Ein Grauen vor etwas empfinden. Mich überfiel ein Grauen. Es kam ihn ein Grauen an. Ein Grauen vor den Gespenstern haben. Alles schien sich um mich her in Nacht und Grauen zu verhüllen. Eine grauenvolle Wüste.

Anm. Im Nieders. grouwen, im Dän. grue, im Schwed. grufwa sig. Es scheinet eigentlich den Schauer auszudrucken, der mit dem Grauen alle Mahl verbunden ist, und die Haut rauh macht, oder ein Rieseln in derselben erwecket. S. Graus und Grausen, welches so wie das Diminut. Grieseln eben dieselbe Empfindung ausdruckt. Das Latein. horrere scheinet gleichfalls damit verwandt zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 788.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika