Hängen

[966] Hängen, verb. reg. act. folglich im Imperf. hängte, Mittelw. gehängt. Es ist das Activum des vorigen Neutrius. 1. Hangen lassen; eine Bedeutung, welche die Verbindung des Neutrius mit dem Activo ausmacht, indem sie von beyden Arten etwas an sich hat, auch im Passivo nicht gebräuchlich ist. Der Esel hängt die Ohren, der Hund hängt den Schwanz, der Vogel die Flügel. Ein Niedergeschlagener hängt den Kopf, läßt ihn sinken. Derselbe Schalk kann den Kopf hängen und ernst sehen, Sir. 19, 23. Daß ein Mensch seinem Leib übel thue, oder seinen Kopf hänge, wie ein Schilf, Es. 58, 5. Das Maul hängen, in den niedrigen Sprecharten, mißvergnügt seyn, Verdruß empfinden. 2. In mehr thätigem Verstande, hangen[966] machen, eine Handlung vornehmen, nach welcher ein Ding hanget. 1) Eigentlich. Den Hut an den Nagel, das Kleid an die Wand, den Mantel an einen Haken hängen. Eine Flasche in das Wasser hängen. Einen Dieb an den Galgen hängen, mit Zuschnürung der Luftröhre. Du sollt den Vorhang hängen an vier Säulen, 2 Mos. 26, 32. Einen Mantel über sich, um sich hängen. Im gemeinen Leben lässet man den Accusativ des Ortes mit seinem Vorworte zuweilen aus. Das Rad hängen, im Bergbaue, es an seinen gehörigen Ort hängen, es einhängen. In engerm Verstande wird hängen sehr häufig für an den Galgen hängen gebraucht. Einen Dieb hängen lassen. Kleine Diebe hängt man, die großen läßt man laufen. S. Henken. 2) In weiterer Bedeutung, an einem andern Körper kleben, oder haften machen. Jemanden eine Klette an das Kleid hängen. Noch häufiger als ein Reciprocum. Die Kletten hängen sich an die Kleider, der Koth hängt sich an die Schuhe, der Schmutz an die Wäsche. 3) Figürlich. (a) Hinab lassen, im Bergbaue. Holz hängen, es in die Grube hinab lassen. (b) Viel Geld an etwas hängen, für wenden, im verächtlichen Verstande. Alles auf den Leib hängen, alles an Kleider wenden. (c) Sich an jemanden hängen, gleichfalls nur im verächtlichen Verstande, ihm zugethan und ergeben seyn, seine Begierden und Erwartungen auf eine dauerhafte Art auf ihn richten. Und die Philister hiengen (hängten) sich an Saul und seine Söhne, 1 Sam. 31, 2. Und haben sich an andere Götter gehänget, 2 Chron. 7, 22. Dein Herz hieng (hängete) sich an die Weiber, Sir. 47, 21. Hänge dich nicht an den Pöbel, Kap. 7, 7. Sein Herz an etwas hängen. Fället euch Reichthum zu, so hänget das Herz nicht daran, Ps. 62, 11.

Das Hauptwort die Hängung wird außer der Zusammensetzung wenig gebraucht.

Anm. Bey dem Ottfried und andern ältern Oberdeutschen Schriftstellern hangen und hengen. Da es bey dem Tatian, Hornegk und andern auch hahan lautet, so scheinet es von ha, hoch, herzustammen, weil mit dem Hängen doch gemeiniglich der Begriff der Höhe verbunden ist; es mag nun der Übergang des Hauchlautes in den nieselnden Laut ng bloß von der Mundart herrühren, oder ein Zeichen eines Intensivi oder einer ähnlichen Form seyn. Indessen stehet auch dahin, ob hahan, so fern man das mittlere h mit einem starken Hauche ausspricht, nicht zu Haken gehöret, weil die meisten Dinge, welche man hänget, einen Haken voraus setzen, und das Lat. Uncus, so wie das Deutsche Angel, Anker, Hanke u.s.f. schon diesen Nasenlaut haben. Ottfried gebraucht das einfache hängen sehr häufig fürhengen erlauben, bewilligen, verstatten; von welcher längst veralteten Bedeutung noch verhängen etwas behalten hat. S. dasselbe.

Im gemeinen Leben wird dieses Activum sehr häufig irregulär abgewandelt, wie das Neutrum. Mit gefangen, mit gehangen. Er hing das Kleid an den Nagel. Welcher Fehler sich auch wohl in die anständigere Schreibart einschleicht. Es ist noch niemahls ein Frauenzimmerspion gehangen worden, Schleg. S. übrigens auch Henken, welches ein Intensivum von hängen ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 966-967.
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