Haupt, das

[1008] Das Haupt, des -es, plur. die Häupter, Diminut. welches aber nur in einigen Fällen gebraucht wird, das Häuptchen, Oberd. Häuptlein.

1. Eigentlich, doer vielmehr am häufigsten, der oberste Theil der menschlichen und thierischen Körper, wo dieses Wort für Kopf nur in der edlern und anständigern Sprechart gebraucht wird, besonders, wenn man von Personen redet, denen man Achtung und Ehrerbiethung schuldig ist. Am häufigsten von Menschen. So sagt man in der anständigern Sprechart, das Haupt thut mir weh, Schmerzen im Haupte empfinden, im Haupte verrückt seyn, Haupt entblößen, bedecken, so viel ich Haare auf meinen Haupte habe, jemanden das Haupt abschlagen, vom Haupte bis auf die Füße, u.s.f. wo man im gemeinen Leben das Wort gebraucht, S. dasselbe. Achtzig Jahre waren schon über sein Haupt hingeflogen, Geßn. Dahin gehöret auch die figürl. R.A. den Feind aufs Haupt schlagen, ihn völlig, gänzlich schlagen, wo das Wort Kopf nicht gebräuchlich ist. Den veindt bis auf das Haupt erlegen, Theuerd. Kap. 93.

[1008] Man hat den Feind aufs Haupt geschlagen,

Doch Fuß hat Haupt hinweg getragen,

Logau.


Das Haupt des heil. Dionysius, u.s.f. wo man in der Römischen Kirche, wenn von Heiligen die Rede ist, niemahls das Wort Kopf gebraucht. In der edlern Schreibart auch von Thieren. Und die Häupter der Rosse, wie die Häupter der Löwen, Offenb. 9, 17. Ein großer rother Drach, der hatte sieben Häupter, Kap. 12, 3; Kap. 17, 7, 9. Dieser Unterschied gilt auch von den folgenden Zusammensetzungen, indem sie insgesammt edler und anständiger sind, als diejenigen, welche mit Kopf – gemacht werden.

2. Figürlich.

1) Derjenige Theil des Bettes, des Sarges, oder des Grabes, wo das Haupt ruhet; im gemeinen Leben der Kopf. Etwas zum Haupte des Bettes legen. Wo es auch in dem veralteten Plural zu den Häupten, der alsdann anstatt des Singulars stehet, gebraucht wird. Und er nahm einen Stein und legte ihn zu seinen Häupten, 1 Mos. 28, 11, 18. Da neigete sich Israel auf dem Bett zun (zu den) Häupten, Kap. 47, 31.

2) Die Person oder das Thier selbst, doch unter verschiedenen Einschränkungen. (a) Die vornehmste Person unter mehrern, besonders so fern ihr wegen dieser ihrer Würde die Macht zu herrschen, zu befehlen zukommt, daher es auch nur von solchen Personen männlichen Geschlechtes üblich ist; Franz. Chef. Der Mann ist des Weibes Haupt. Ein hohes Haupt, ein Fürst. Ein gekröntes Haupt, ein König. Eine Zusammenkunft von drey gekrönten Häuptern. Das Haupt der Kirche. Die Häupter eines Landes, des Volkes, einer Stadt, eines Geschlechtes, die Vornehmsten. Das Haupt der Rebellen, ihr Anführer. Sich zum Haupte aufwerfen. Kopf ist in dieser Bedeutung gar nicht üblich. Siehe Oberhaupt. (b) Eine jede Person. Ein jeglicher nehme ein Gomor auf ein jegliches Haupt, nach der Zahl der Seelen in seiner Hütten, 2 Mos. 16, 16. So manch Haupt, so manch halber Seckel, – von allen die gezählet wurden, von zwanzig Jahren an und drüber, Kap. 38, 26. Nehmet die Summa der ganzen Gemeine – alles was männlich ist, von Haupt zu Haupt, 4 Mos. 1, 2, 18. In diesem Verstande kommt es nur noch zuweilen im Oberdeutschen vor. Im Hochdeutschen gebraucht man dafür im gemeinen Leben das Wort Kopf, und in der anständigern Sprechart das Wort Person oder andere ähnliche Ausdrücke. Doch nennet man einen Greis auch in der edlern Schreibart ein graues Haupt, ein ehrwürdiges Haupt. (c) Im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, wird Haupt sehr häufig von dem Rindviehe gebraucht; in welchem Verstande Kopf ungewöhnlich ist. Hundert Häupter Rindvieh auf der Weide gehen haben. Ingleichen mit Auslassung des Wortes Rindvieh. Es sind ihm zehen Häupter gefallen. Wo es denn auch wohl nach Art anderer Wörter, welche eine Zahl, ein Maß, und ein Gewicht bedeuten, wenn es ein Zahlwort bey sich hat, im Singular gebraucht wird. Es sind ihm zehen Haupt gefallen. Im mittlern Lateine kommt Caput in diesem Verstande häufig vor, nicht nur von dem Rindviehe, sondern auch von Pferden und Schafen. Decem equorum capita, Gregor. Magn. l. 10, ep. 41. Legitimus pastor ovium si 80 capita in grege habet, Lex Alemann. tit. 79, #. 2. Wo es zuweilen auch allein ohne allen Beysatz gebraucht wird, ein jedes Stück zahmes Vieh zu bezeichnen. Ja noch weiterm Verstande wird es auch von leblosen Dingen gefunden, ein Stück zu bezeichnen, wovon bey dem du Fresne und Carpentier Beyspiele angeführet werden. Auch Capitale wurde[1009] sehr frühe von einem jeden Gute, welches man besitzet, besonders aber von dem Viehe, dem vornehmsten Stücke des Reichthums in den ältern Zeiten, gebraucht. Das Nieders. Höft wird auf eben dieselbe Art von dem Rindviehe, das Schwed. Hufwud aber von einem jeden Individuo oder Stücke gebraucht.

3) Von leblosen Dingen, wo das Bild theils von der Ründe des Hauptes, theils von dessen Stelle und Würde hergenommen ist, in der edlern und anständigern Schreibart. (a) Von der Ründe, besonders so fern sie zugleich den obersten Theil eines Dinges ausmacht. So nennet man an dem Kohle und Salate die in einen runden Körper geschlossenen Blätter, und die runden Samenkapseln des Mohnes, in der anständigern Schreibart das Haupt, und im gemeinen Leben den Kopf. Drey Kohlhäupter. Ein Mohnhaupt. (b) In weiterer Bedeutung, das oberste eines Dinges; am häufigsten in der edlen Schreibart, wo im gemeinen Leben Kopf gebräuchlich ist. Die Blume hebt ihr sinkendes Haupt empor. Das Haupt des Nagels, dessen Kopf. Das Haupt des Schildes, in der Wapenkunst, dessen oberster Theil. In der Landwirthschaft wird das unterste Stück Holz an einem Pfluge, worauf der ganze Pflug gleichsam gebauet ist, dessen Haupt genannt. Ehedem wurde die Quelle eines Flusses im Oberdeutschen sehr häufig das Haupt genannt, theils so fern sie alle Mahl am höchsten lieget, theils auch so fern sie der Anfang des Flusses ist. (c) Verschiedene hervor ragende Theile eines Dinges, besonders so fern sie die Gewalt anderer Dinge abhalten sollen. So wird an den Deichen und Wällen der abhängige mit Rasen bekleidete Theil das Haupt genannt. In dem Wasserbaue sind die Häupter in das Wasser hinein gehende Bollwerke von Mauerwerk, Pfählen oder Flechtwerk, die Gewalt des Wassers zu brechen. Nieders. Höfd, Holländ. Hoofd, welche auch ein Vorgebirge bezeichnen, nach dem Muster des Ital. Capo, und Franz. Cap. (d) Der Würde nach, das Vornehmste eines Dinges, in einigen Fällen, in der edlern Schreibart. Diese Stadt ist das Haupt des Landes. S. auch Häuptel. In den folgenden Zusammensetzungen kommt diese Bedeutung am häufigsten vor. Man kann in derselben das Wort Haupt fast mit allen Substantiven zusammen setzen, das Wichtigste, das Vornehmste seiner Art auszudrucken, welches den Grund anderer Dinge seiner Art enthält; von welchen diejenigen, welche im folgenden vorkommen, nur eine kleine Probe sind. Kopf kann auf diese Art nicht gebraucht werden. In etwas engerer Bedeutung gebraucht man das Wort Haupt -in einigen Zusammensetzungen für Erz-. Ein Hauptnarr, ein Narr der ersten Größe; so auch ein Hauptschelm, ein Hauptdieb, ein Hauptgut, d.i. ein vortreffliches, sehr wichtiges Gut, u.s.f. wofür man im gemeinen Leben auch Capital-Narr, Capital-Dieb, Capital-Gut u.s.f. sagt. In beyden Fällen wird Haupt in der Zusammensetzung mit einem stärkern Tone ausgesprochen, als wenn es den Kopf bedeutet. Eine Hauptarzeney, eine vortreffliche, vorzügliche, sehr wichtige Arzeney, hat auf der ersten Sylbe einen stärkern und längern Ton, als die Hauptarzeney, so fern sie wider Krankheiten des Hauptes gut ist.

Anm. In dem übersetzten Isidor Haubide, bey dem Kero und Ottfried Haubit, bey dem Notker Houbet, bey dem Willeram Hoibet, im Nieders. Höfd, Höved, in einigen gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes nur Heet und Höt, im Altfries. Haud, bey dem Ulphilas Haubith, im Angels. Heafod, im Isländ. Hoffod, im Schwed. Hufwud, im Engl. Head, stammet gewiß nicht, wie sich jemand träumen lassen, von Haube her, so daß es eigentlich einen mit einer Haube bekleideten Kopf bedeutet, sondern vermittelst des Ableitungszeichens de, d oder t, von heben, oder einem ähnlichen veralteten[1010] Zeitworte, so daß es überhaupt das Höchste, das Oberste an einem Dinge bedeutet. Es gehöret daher zu dem zahlreichen Geschlechte der Wörter Haube, auf, Haufen, heben, hoch u.s.f. Das Lat. Caput, das Griech. κεφαλƞ, Gipfel, Giebel, und hundert andere sind genau damit verwandt. Für hoch, vor Alters ha, findet man in den verwandten Sprachen auch so wohl haf und hab als had.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1008-1011.
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