Hefen, die

[1055] Die Hêfen, sing. inus. dasjenige bey einem flüssigen Körper, was durch die Gährung in die Höhe getrieben wird, und sich hernach zu Boden setzet. Bierhefen, Weinhefen, welche auch die Mutter genannt werden. In weiterer Bedeutung wird auch der Bodensatz eines jeden flüssigen Körpers, auch wenn er nicht durch die Gährung niedergeschlagen worden, die Hefen genannt. Daher denn der Bodensatz des Öhles auch unter dem Nahmen der Öhlhefen bekannt ist. Bey den Bierhefen unterscheidet man die[1055] Gohre, Gäscht, Oberhefen oder Spundhefen, welche in der Gährung oben ausgestoßen werden, und die Unterhefen, Stellhefen oder Backhefen, welche sich nach der Gährung auf den Boden setzen. Das Bier, den Wein, auf den Hefen liegen lassen, ihn von den Hefen ziehen. Etwas bis auf die Hefen austrinken. Die Hefen trinken, figürlich, die unangenehmen Folgen einer Sache empfinden. Die Hefen austrinken müssen, figürlich, eine Strafe nach aller ihrer Schwere empfinden müssen. Auf die Hefen kommen, auf den Hefen sitzen, auf das Äußerste gekommen seyn, nicht weiter können. Nun sitzen wir mit unsrer Weisheit auf den Hefen, Weiße. Er wird nun wohl auch auf die Hefen gekommen seyn, Less. Auf seinen Hefen stille liegen, figürlich, in Ruhe und Sicherheit leben, Jer. 48, 11; Zeph. 1, 12. Figürlich sind die Hefen des Volkes die geringsten, schlechtesten Glieder eines Staates oder eines Volkes.

Anm. Obgleich dieses Wort im Hochdeutschen im Plural am häufigsten ist, so ist doch der Singular nicht ganz ohne Beyspiel. Ein Mahl darinnen keine Hefen ist, heißt es Es. 25, 6. In der Oberpfalz ist die Hefe nur allein im Singular üblich. Das Wort stammet von dem Zeitworte heben ab, welches ehedem hefan lautete, weil die eigentlichen Hefen nicht nur in der Gährung in die Höhe gehoben werden, sondern auch andere, besonders flüssige Körper zum Aufblähen und zur Gährung bringen. Aus eben diesem Grunde wird auch der Sauerteig im Oberdeutschen Hebel und Hefel genannt, wo hebeln auch für säuern üblich ist. Die gleichbedeutenden Wörter von Hefen bestätigen diese Ableitung, wohin das in den gemeinen Mundarten gehörige Bärme, welches mit dem Latein. Fermentum überein kommt, von dem alten bären, heben, das Oberdeutsche Gärm, Germ, Görm, Baier. die Gerben, von gähren, das Österreich. Urhab, Ura, Nura, und andere mehr gehören; S. auch Sauerteig. In Steiermark werden die Hefen Gleger, von legen, genannt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1055-1056.
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