Hüthen

[1338] Hüthen, verb. reg. act. welches ursprünglich scheinet sehen bedeutet zu haben, aber hernach nur in engerer Bedeutung gebraucht wurde, in der Absicht sehen und beobachten, um ein Übel von einem Dinge abzuwenden. 1. Überhaupt, sehen, Acht haben, damit einem Dinge nichts Übels widerfahre, mit Inbegriff der Abwendung dieses Übels; mit der vierten Endung der Sache. Das Haus hüthen, Acht haben, daß keine Diebe einbrechen, kein Feuer auskomme u.s.f. Junge Mädchen sind schwer zu hüthen. Der Geitzige hüthet sein Geld den ganzen Tag, lässet es nicht aus den Augen, damit es ihm nicht gestohlen werde. Ich kann ihn nicht immer hüthen. Das Bett hüthen müssen, figürlich, nicht aus dem Bette können, krank seyn. Das Zimmer hüthen, nicht aus dem Zimmer gehen können. Ehedem gebrauchte man dieses Zeitwort häufiger und fast in allen Fällen, wo man jetzt die Ausdrücke bewahren, bewachen, die Wache haben, Acht auf etwas haben u.s.f. gebraucht; da es denn im Oberdeutschen häufig mit der zweyten Endung verbunden wurde, und noch verbunden wird. Eines Dinges hüthen. Des Hauses, des Zimmers, des Bettes hüthen. Sin huoten zwenzig tusent man, ihn bewachen 20.000 Mann, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Du sollt meines Volkes Israel hüthen, 2 Sam. 5, 2. Daß er der Lade des Herren hüthete, sie bewachte, 1 Sam. 7, 1. Wo es auch zuweilen als ein Neutrum gebraucht wurde. Die Priester, die an der Schwelle hütheten, die Wache hatten, 2 Kön. 12, 9. Di der Burg huhdin, welche daselbst in Garnison standen, in dem alten Gedichte auf den h. Anno. S. Behüthen. Verhüthen. 2. In engerer Bedeutung. 1) Als ein Reciprocum, sich hüthen, sich vorsehen, durch Vorsicht ein Übel zu vermeiden oder abzuwenden suchen, entweder mit dem Bindewort daß, oder mit dem Vorworte vor. Man kann sich hier nicht genug hüthen. Hüthe dich vor Schaden. Vor Feinden kann man sich wohl hüthen, aber nicht allemahl vor falschen Freunden. Hüthet euch vor[1338] dem Verbannten, Jes. 6, 18. Hüthe dich, daß du nicht fällst. S. Behuthsam. 2) Das Vieh hüthen, eine Herde Vieh hüthen, Acht geben, so wohl, daß ihr auf der Weide kein Schade widerfahre, als auch, daß sie selbst keinen Schaden verursache. Gänse, Schafe, Pferde, Schweine hüthen. Da er seines Vaters Esel hüthete, 1 Mos. 36, 24. Jetzt hüthe ich um schlechten Lohn hier diese Ziegen, Geßn. Im Oberdeutschen gleichfalls mit der zweyten Endung. Sie hüthete der Schafe, 1 Mos. 29, 9. So will ich wiederum weiden und hüthen deiner Schafe, Kap. 30, 31. Hüthen nicht deine Brüder des Viehes in Sichem? 1 Mos. 37, 13. S. Abhüthen. Daher die Hüthung in der ersten allgemeinen und zweyten engern Bedeutung. S. auch Huthung. Bey dem Kero und Ulphilas huotan, im Nieders. höden und hüden, im Angels. hydan, im Dän. hyte. Frisch sahe schon die Übereinkunft mit dem Lat. caútus, cautela, cavere u.s.f. ein, fand es aber nicht dienlich, den Ursprung beyder Wörter zu verfolgen. Dem ersten Anblicke nach scheinet es sehr wahrscheinlich, daß dieses Zeitwort gleichfalls von dem veralteten Zeitworte hedan, hudan, bedecken, verbergen, Engl. to hide, Griech. κευθειν, abstamme, ja wohl gar dieses Zeitwort selbst sey; S. der Hut und Haut. Allein, wenn man bedenkt, daß der Begriff des Sehens in allen dessen Bedeutungen sehr merklich hervorsticht, so wird man es lieber zu weiden rechnen, so fern dieses mit hüthen gleichbedeutend ist, bey dem Ulphilas vitan, welches mit dem Lat. videre sehr deutlich überein kommt. Der Übergang des Hauchlautes in den Blaselaut darf niemanden befremden, da selbiger im Deutschen und andern Sprachen in tausend unläugbaren Fällen erweislich ist. Acht, achten, bewahren, warten, das Franz. garder, und andere bedeuten ursprünglich gleichfalls sehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1338-1339.
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