-Ing

[1376] -Ing, eine Endsylbe verschiedener Hauptwörter, deren Abstammung aber noch nicht in allen Fällen ganz ausgemacht ist. Sie bedeutet,

1) Ein Land, ein Feld, eine Gegend; in welcher Bedeutung sie nur noch in den eigenthümlichen Nahmen verschiedener, besonders Oberdeutscher Länder und Örter, übrig ist, wo sie jetzt ingen lautet. Lotharingen, Lotharii Land. So auch Thüringen, Tübingen, Kitzingen, Memmingen u.s.f. In Schweden gibt es gleichfalls noch viele Nahmen der Örter auf -inge, und Frisch rechnet auch die Nahmen der Örter auf -in, wie Stettin, Cöslin, Lenin, Küstrin u.s.f. dahin. Hier stammet sie ohne Zweifel aus dem Angels. und Wallisischen Inge,[1376] ein Feld, her. Die Schweizerische Mundart verwandelt dieses -ingen gemeiniglich in ikon; Pfessikon für Pfessingen, Vlikon für Vlingen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auch verschiedene Deutsche Hauptwörter auf ung gleichfalls mit zu dieser Endung gehören, die man bisher irrig für Verbalia gehalten hat, zumahl da die Endung ing auch in andern Fällen in ung übergehet. Dergleichen sind z.B. die Waldung, eine waldige, mit Wald bewachsene Gegend, die Holzung, eine mit Holz bewachsene Gegend, die Hutung, eine zur Hut, d.i. Weide, bestimmte Gegend, die Feldung, ein Feld, die Freyung, eine befreyte Gegend, die Stallung, eine mit Ställen bebauete Gegend, und andere mehr. Thie Heiminge ist bey dem Ottfried das Vaterland, die Heimath.

2) Einen jungen Menschen, und in weiterer Bedeutung, einen Sohn, einen Nachkommen, wo es mit Enkel noch zu dem in Ober- und Niedersachsen üblichen Enke zu gehören scheinet, S. diese Wörter. Die meisten dieser Wörter sind jetzt veraltet. Ein Edelknabe hieß bey den Angelsachsen Aethiling, bey dem Ottfried Ediling, im Engl. Adeling. Kipping bedeutete im Angels. des Kippi Sohn, Bryning des Bryn Sohn, Skiolding im Schwed. Skiolds Sohn, und Yngling des Ynge Sohn. Carls des Großen Nachkommen sind in der Fränkischen Geschichte unter dem Nahmen der Carolinger, so wie Meroväi unter dem Nahmen der Merowinger bekannt. Die Endung der Lat. Beywörter auf inus scheinet damit verwandt zu seyn. Wachter leitet es in dieser Bedeutung von dem Wallisischen engi, gebären, her, welches denn auch das Stammwort von Enke und Enkel seyn würde. Im Schwedischen gehet das ing hier oft in ung über.

3) In noch weiterer Bedeutung, ein einzelnes Ding, ein Individuum von der Art, welche das vorstehende Hauptwort bedeutet. Der Häring, Lat. Halec. Gelbing und Gelbling, ein gelbes Ding, gelbes Thier. Henning bedeutet im Nieders. einen Hahn. Die Halsing ist bey den Jägern ein Halsband. S. auch die Kimming, der Bücking, Nieders. für Bückling u.s.f. In einigen gehet ing in ung über; wie in Halsung für Halsing, Hornung u.s.f. In andern ist ig und ing nahe verwandt; König, ehedem Köning, Honig, im gemeinen Leben Honing, Pfennig, in gemeinen Leben Pfenning, Bottig, Botting u.s.f. Im Schwed. gibt es auch Abstracta auf ing, Sanning, die Wahrheit, Faegring, die Schönheit, welche ehedem Sannind, Faegrind lauteten.

Siehe auch -ling, welche Endung mit dieser genau verwandt ist, und -ung.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1376-1377.
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