Jagen

[1414] Jagen, verb. reg. (also du jagst, er jagt, Imperf. ich jagte; nicht jägst, jägt, jug,) welches auf doppelte Art gebraucht wird.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, schnell laufen; im gemeinen Leben. Das Pferd ist in vollem Galoppe vorbey gejagt. Figürlich, doch auch nur im gemeinen Leben, eilen. Im Lesen, Singen, Arbeiten, Essen u.s.f. jagen, d.i. sehr eilen. Im Reiten oder Fahren jagen. Vorbey jagen, zu Pferde oder mit einem Wagen. Ingleichen active, ein Pferd zu Tode jagen, es todt reiten.

II. Als ein Activum oder vielmehr Factitivum, laufen machen, eilen machen, von lebendigen Geschöpfen. 1) Überhaupt, eilen machen, fliehen machen. Die Hunde aus dem Zimmer jagen. Die Fliegen von dem Essen, die Hühner aus dem Garten jagen. Sich im Garten herum jagen. Der Wind jagt die Wolken herauf. Ingleichen fliehend machen, in die Flucht treiben. Den Feind in die Flucht jagen. Euer fünf sollen hundert jagen, 3 Mos. 26, 8. Ehedem auch für verfolgen. Du jagest meine Seele, daß du sie wegnehmest, 1 Sam. 24, 12. Die mich jagen, legen sich nicht schlafen, Hiob 30, 17. Ferner, mit gewaltsamer Eil aus dem Besitze eines Dinges treiben. Jemanden von Haus und Hof jagen. Einen Dienstbothen[1414] aus seinem Dienste jagen, ihn von sich jagen. Wie auch in mehr figürlichem Verstande. Einen Soldaten durch die Spießruthen jagen. Jemanden ein Messer in den Leib, einen Degen durch den Leib jagen, ihn damit schnell in den Leib, durch den Leib stechen. Sein Vermögen durch die Gurgel jagen, es verschweigen, verprassen. 2) In engerer Bedeutung, ein Thier verfolgen, mit Einschließung des Fangens oder Erlegens. Esau ging auf das Feld, daß er ein Wildpret jagte, 1 Mos. 27, 5. Bären, Hasen, wilde Schweine, Hirsche jagen, besonders wenn man sich dazu der Hunde bedienet. Ingleichen absolute. Was haben sie heute gejaget? auf der Jagd erhalten. Auf Hirsche, auf Wölfe, auf Hasen jagen.

Das Hauptwort die Jagung ist nur in den Zusammensetzungen üblich.

Anm. Bey dem Ottfried und Notker als ein Activum iagon, im Niedersächs. jagen, im Schwed. jaga, im Dän. jage. Das Neutrum gahen, eilen, findet sich bey dem Stryker, und in dem alten Gedichte auf den heil. Anno ist jaginta, das Mittelwort, schnell, eilfertig. Es stammet zunächst von jach her, (S. Jähe,) und ist das Intensivum und Factitivum von gehen. Das j scheinet nicht zum Stamme zu gehören, weil das verwandte Griech. αγειν und Latein. agere solches nicht haben. Die Hebr. הגג, im Kreise bewegen, הגא, Bewegung, Erschütterung, גוח, hinaus führen, und vielleicht auch חיה, leben und das Leben, scheinen gleichfalls dahin zu gehören; wenigstens ist der Begriff einer mehr oder weniger verstärkten Bewegung in allen der herrschende. S. auch Ächten.

Die Niedersachsen pflegen, wenn sie Hochdeutschen reden wollen, dieses Wort sehr irrig nach dem Muster der Zeitwörter schlagen, tragen, gern irregulär abzuwandeln.


Womit du dem Betrug hinfort den Weg verlegst,

Und fremden Unterschleif aus deinem Sunde jägst,

Amthor.


Boreas jug umsonst der Wolken starke Düfte,

Amthor.


Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1414-1415.
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