Nachsicht, die

[388] Die Nachsicht, plur. car. das Abstractum des Activi nachsehen, in dessen ersten Bedeutung, die Unterlassung der Forderung eines Rechtes und der Ahndung einer unerlaubten Handlung, um des andern Besten willen, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit dieses Gemüthsstandes. Nachsicht gegen jemanden haben, beweisen. Ich habe nun schon zu viele Nachsicht bewiesen. Nachsicht ist keine Bezahlung, d.i. sie befreyet den Schuldner nicht von der hernach geforderten Bezahlung, gibt ihm kein Recht. Ein Fehler des Herzens erhalte nie Nachsicht und Vergebung, bis man die Kinder nicht das Häßliche desselben hat fühlen lassen, Gell. Nie sey die Kränklichkeit des Kindes eine Ursache zur Nachsicht gegen seine bösen Neigungen, ebend.

In den übrigen Bedeutungen des Zeitwortes ist es zwar hin und wieder im gemeinen Leben üblich. Z.B. die Nachsicht haben, das Nachsehen; die Nachsicht einer Rechnung, die Untersuchung derselben; Vorsicht ist besser als Nachsicht u.s.f. Allein in der guten Schreibart werden sie sich wohl nicht leicht vertheidigen lassen; wenigstens ist in vielen Fällen die Zweydeutigkeit unvermeidlich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 388.
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