Neigung, die

[463] Die Neigung, plur. die -en. 1) Die Handlung des Neigens; das Neigen. 2) Der Zustand, da eine Fläche sich nach und nach dem Mittelpuncte der Erde nähert; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. Die Neigung des Bodens mit der Wasserwage erforschen, dessen Abhang, Fall. Die Neigung der Magnetnadel, ihre Inclination, ihre Abweichung von der Horizontal-Linie. 3) In engerer Bedeutung, das Neigen des Körpers aus Höflichkeit; die Verbeugung, im gemeinen Leben die Verneigung, die Neige, bey dem weiblichen Geschlechte der Knicks, bey dem männlichen der Bückling. Eine Neigung machen, sich neigen. 4) Die Bestimmung des Willens zu etwas aus Erkenntniß; so wie Trieb die Bestimmung der Kraft ist. Neigung zu etwas haben, empfinden. Ich habe keine Neigung dazu. Die menschenfreundlichen Neigungen sind eine süße Nahrung edler Herzen, Gell. Es kann keine gute Neigung in einem Herzen wohnen, wo die unmäßige Begierde nach Reichthum herrscht, ebend. In engerer Bedeutung sind in der Moral die Neigungen Fertigkeiten der Begierden Einer Art, zum Unterschiede von den einzelnen Bestimmungen des Willens, oder den Begierden, da denn die Neigungen von den Leidenschaften nur in der geringern Stärke unterschieden sind. Wir kommen mit einer allgemeinen Fähigkeit zu unzähligen Neigungen und Leidenschaften auf die Welt, ohne etwas anders mitzubringen, als die Kraft, die das Wesen der Seele ausmacht, Sulz. 5) In engerer Bedeutung ist die Neigung, ohne Plural, die Fertigkeit, jemandes Bestes gern zu sehen, deren stärkerer Grad die Geneigtheit ist.

S. auch Abneigung und Zuneigung.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 463.
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