Niederschlagen

[498] Niederschlagen, verb. irreg. (S. Schlagen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist.

I. Als ein Neutrum, wo es wiederum auf zwiefache Art gebraucht wird. 1) Mit dem Hülfsworte haben, niederwärts schlagen, so fern dieses Zeitwort bloß ein Neutrum ist, in welchem Verstande es in der Musik dem aufschlagen entgegen gesetzt wird. S. Niederschlag 2. 2) Mit dem Hülfsworte seyn, plötzlich und mit Heftigkeit niederfallen; doch nur im gemeinen Leben. Er stolperte und schlug nieder, so lang er war.

II. Als ein Activum, niederwärts schlagen, durch einen oder mehrere Schläge nach unten hin bewegen, ingleichen zu Boden schlagen.

1. Eigentlich. Den Rand an einem Gefäße niederschlagen. Eine in die Höhe stehende Spitze niederschlagen. Der Hagel hat alle Feldfrüchte niedergeschlagen. Er hub seine Hand auf wider sie, daß er sie niederschlüge in der Wüsten, Ps. 106, 26. Wenn im Streite – –


Der ehrne Donner von den Bergen, ihm zur Seite,

Die Feldherrn niederschlug,

Raml.


2. In weiterer Bedeutung, durch verschiedene gemeiniglich gewaltsame Mittel niederwärts treiben oder richten. Die Augen niederschlagen, sie nach der Erde zu richten, sie auf den Boden heften. Mit niedergeschlagenen Augen da stehen. Bey den Jägern schlägt der Bär das Gesträuch, das Getreide nieder, wenn er es niederdrückt. Im Forstwesen wird ein Gehölz, ein Forst niedergeschlagen, wenn man die Bäume darin fällen lässet. Einen Tisch, eine Klappe, eine Krämpe niederschlagen, sie niederklappen, niederbiegen, im Gegensatze des Aufschlagens. In der Chymie wird ein in einer Flüssigkeit aufgelöseter Körper[498] niedergeschlagen, oder aus demselben niedergeschlagen, wenn man einen andern hinzu thut, welcher das Auflösungsmittel stärker anziehet, daher es den ersten fahren lässet, der sich denn in Gestalt eines seinen Pulvers auf den Boden setzet, und der Niederschlag genannt wird; sonst auch fällen und mit einem Latein. Kunstworte präcipitiren, das Präcipitat. Das Silber wird aus dem Salpetergeiste mit Kupfer, das Kupfer mit Eisen, das Eisen mit Zink, der Zink mit alkalischen Erden, und diese mit alkalischen Salzen niedergeschlagen. Die Hitze, die Säure im menschlichen Körper niederschlagen, solche durch alkalische Arzeneyen mildern oder dämpfen. Ein niederschlagendes Pulver, welches die Wallung im Geblüte vermindert.

3) Figürlich. 1) Jemandes Hoffnung niederschlagen, ihm solche vereiteln, benehmen. Eines Beweise niederschlagen, sie mit einem merklichen Übergewichte ungültig machen, oder auch für ungültig erklären. Eine Forderung, eine Schuld, einen Prozeß niederschlagen, sie durch einen Machtspruch aufheben, vernichten. 2) Jemanden niederschlagen, ihm einen von außen sichtbaren Grad der Traurigkeit verursachen; im Gegensatze des Aufmuntern. Das schlägt mich zu sehr nieder. Eines Gemüth niederschlagen. Viele Übel erhalten ihr niederschlagendes Übergewicht von der Gewalt der Einbildung, Gell. Daher das Mittelwort niedergeschlagen sehr häufig als ein Bey- und Nebenwort so wohl für traurig, als auch für muthlos, und in dieser Empfindung gegründet, gebraucht wird. Sehr niedergeschlagen seyn. Das machte ihn nur noch niedergeschlagener. Sein niedergeschlagenes Wesen. Niedergeschlagene Muthlosigkeit. In Stade ist dafür sluk üblich, welches damit verwandt zu seyn scheinet. Daher die Niedergeschlagenheit, plur. inus. der Zustand, da man niedergeschlagen ist. Eigentlich druckt wohl niedergeschlagen diejenige Wirkung der Traurigkeit im Äußern aus, wenn man nicht mit Bewustseyn an die Ursache derselben denkt. Überhaupt scheinet es eine von dem Niederschlagen der Augen entlehnte Figur zu seyn.

So auch die Niederschlagung. Das Zeitwort lautet schon bey dem Notker niederslahen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 498-499.
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