Offenbar

[584] Offenbar, -er, -ste, adj. et adv. 1) Offen, auf allen Seiten durch nichts eingeschränkt; in welchem Verstande man es nur noch in dem Ausdrucke die offenbare See gebraucht, das hohe, dem Anblicke nach auf allen Seiten unbegränzte Meer. 2) * Bloß, unbedeckt; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher man nur noch in einigen Gegenden, z.B. in der Lausitz, den Barfrost, d.i. den ohne vorher gegangenen Schnee eintretenden Frost, einen offenbaren Frost zu nennen pflegt. 3) Von jedermann dafür erkannt. Es ist eine offenbare Lüge. Die offenbare Wahrheit. Es ist offenbar, daß dieß schon mehrmahls geschehen ist. Ein offenbarer Feind, im Gegensatze eines heimlichen oder verborgenen Feindes. Ein offenbares Wunder. Offenbare Sünden, welche von jedermann für Sünden erkannt werden. Bey dem Menschen waltet offenbar ein anderes Naturgesetz über die Succession seiner Ideen, Herd. 4) * Bekannt. Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreuet es, Ps. 119, 130. Vieler Herzen Gedanken werden offenbar werden, Luc. 2, 35. Denn daß man weiß, daß Gott sey, ist ihnen offenbar, Röm. 1, 19. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen größten Theils veraltet, ob es gleich noch hin und wieder in den Kanzelleyen gebraucht wird, wo auch offenkündig für offenbar vorkommt. Der Thäter ist noch nicht offenbar, noch nicht bekannt.

Anm. Bey dem Stryker schon offenbar, im Nieders. apenbar. Es ist von offen und bar zusammen gesetzet, von welchen auch ehedem jedes für sich allein für offenbar gebraucht wurde, daher die Zusammensetzung bloß um des mehrern Nachdruckes willen geschehen zu seyn scheinet. In dem Isidor und bey dem Ottfried heißt offenbar beständig offen. Der Regel nach liegt der Ton auf der ersten Sylbe als der Stammsylbe des Hauptwortes. Allein in der nachdrücklichen Rede legt man ihn oft auf die Ableitungssylbe bar.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 584.
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