Prahlen

[822] Prahlen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und so wie Pracht, eigentlich eine dreyfache Bedeutung hat. 1. * Mit lauter und ungestümer Stimme reden; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher es aber in Niedersachsen noch völlig gangbar ist. Das Franz. brailler bedeutet gleichfalls viel und laut reden, und Braillard einen solchen Schreyer. Es ist in dieser Bedeutung aus der Natur selbst entlehnet, und ahmet den Schall einer solchen ungestümen Stimme genau nach. 2. Figürlich. 1) Glänzen, durch einen äußern Glanz, durch schöne bunte Farben seine Vorzüge an den Tag legen; eine noch im gemeinen Leben gangbare Bedeutung. Die Tresse prahlt, wenn sie ein sehr[822] schönes äußeres Ansehen hat. S. Prahlsalat. In weiterer Bedeutung wird es zuweilen auch von einem jeden prächtigen viel versprechenden äußern Ansehen gebraucht, wo es von einigen neuern Dichtern auch wohl active gebraucht wird.


Im weißen Strumpfe prahlt die dicke Wade Kraft,

Zachar.


Wenn seine Feder strahlt

Und hoher Stand und Geld die goldne Weste prahlt,

ebend.


Im Schwed. ist Prål und im Isländ. Prial gleichfalls Glanz, und in der erstern Sprache pråla stolz, prächtig einher gehen. Die Figur von dem Schalle auf den Glanz kann hier so wenig befremden, als in hell, Pracht und andern ähnlichen Wörtern. 2) Unerhebliche Dinge als Beweise eigener Vorzüge zur Schau auslegen, besonders in engerer Bedeutung, wenn dasselbe mit Worten geschiehet, sich ungegründeter oder doch übertriebener Vorzüge auf eine ungebührliche Art rühmen, wo die Figur so wohl von dem Glanze als auch der lauten Stimme hergenommen ist. Ein Mensch prahlt, so wohl wenn er sich Vorzüge beyleget, welche er nicht hat, als auch, wenn er diejenigen, welche er besitzet, auf eine ungebührliche Art vergrößert. Mit etwas prahlen. Mit seinem Gelde, mit seinen Kleidern prahlen, sie als Merkmahle seiner Vorzüge ungebührlich zur Schau auslegen.


Ein Arzt, der sich zum Doctor prahlt,

Haged.


So auch das Prahlen.

Anm. Im Nieders. gleichfalls pralen. Frisch läßt es von dem schon angeführten Franz. brailler, Wachter aber von parler abstammen. Allein, die Endsylbe zeiget uns, daß dieses Zeitwort ein Frequentativum oder Intensivum ist, welches von einem jetzt veralteten prahen, oder mit dem härtern Oberdeutschen Hauche pragen, abstammet, von welchem noch Spuren genug vorhanden sind. Hornegk gebraucht progen wirklich für prahlen, und im Engl. ist Brag noch jetzt Prahlerey. Dieses progen und pragen aber ist mit prachen und prochen, dem Stammworte von Pracht, ein und eben dasselbe Wort, und daher kommt es auch, daß prahlen so wohl als Pracht, zunächst von der Stimme, hernach aber auch von dem Glanze gebraucht werden. Prahlen stehet also für pragelen; woraus zugleich erhellet, daß man dieses Wort bisher mit dem besten Grunde mit einem h geschrieben, um den ausgestoßenen Hauchlaut dadurch anzudeuten. Nur einige neuere Sprachlehrer haben aus Unkunde der Abstammung das h ausstoßen, und dieses Wort pralen schreiben wollen. In dieser intensiven oder frequentativen Form liegt zugleich die Ursache, warum prahlen allemahl den Nebenbegriff des Ungebührlichen und Übertriebenen bey sich hat, dagegen dessen Geschlechtsverwandte Pracht und prangen in einem sehr unschuldigen Verstande gebraucht werden. S. Prangen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 822-823.
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