Predigen

[828] Prêdigen, verb. reg. act. eigentlich, die Wahrheiten der Religion öffentlich und mündlich vortragen. Alle Sonntage predigen. Die Buße, den Glauben predigen. Der Gemeine predigen, wofür doch vor der Gemeine predigen, üblicher ist. Figürlich, mit lauter Stimme verkündigen, bekannt machen, und nach einer noch weitern Figur, mit Nachdruck ermahnen oder bekannt machen überhaupt. Die Tugend predigen, andere nachdrücklich zur Tugend ermahnen, es geschehe nun mündlich oder schriftlich; in welcher figürlichen Bedeutung die dritte Endung der Person üblicher ist, als in der vorigen eigentlichen. Einem predigen.


Der mein Thun zu meistern denkt,

Predigt tauben Ohren,

Haged.


Die Bibel predigt nicht bloß für den Verstand. Wunderbare Führungen und Errettungen, was predigen sie anders, als eine über alles wachende Vorsehung? Gell. So auch das Predigen, und zuweilen auch die Predigung.

Anm. Schon im Isidor predigon, bey dem Ottfried bredigon, im Schwed. praedika, im Engl. to preach, im Französ. prêcher. Es ist ohne Zweifel aus dem Lat. praedicare entlehnet, welches sogleich mit dem Christenthume in Deutschland bekannt geworden. Viele, welche auf eine übertriebene Art für die Ehre der Deutschen Sprache besorgt gewesen, haben es für ein altes echtes Deutsches Wort ausgegeben, welches von dem noch hin und wieder üblichen präten, prätchen, prätschen, pratschen, mit lauter, gemeiniglich heller und eintöniger Stimme reden, abstamme; Wörter, welche den damit verbundenen Schall genau nachahmen. Im Schwed. ist prata, reden, sprechen, Griech. φραζειν, wohin auch die letzte Hälfte des Lat. interpretari gehöret, und vielleicht auch unser breiten in ausbreiten und verbreiten. Das Lateinische wird gemeiniglich als ein aus prae und dicare, dicere, zusammengesetztes Wort gehalten, wozu es auch alles Ansehen hat.[828] Indessen stehet es doch noch dahin, ob es nicht von unserm präten ein Seitenverwandter ist, welcher erst in den spätern Zeiten Roms, als man auf die Bildung der Sprache zu denken anfing, aus preticare oder praeticare in praedicare umgemodelt worden. Die Endungen -igen und -icare machen in beyden Sprachen Intensiva, welche sich bald auf ein Thun, bald auf ein Seyn beziehen; amaricare, albicare, candicare u.s.f. S. auch -Igen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 828-829.
Lizenz:
Faksimiles:
828 | 829
Kategorien: