Raunen (3)

[981] 3. Raunen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben hat. 1) Eigentlich, leise reden, und leise sagen, ins Ohr sagen, flistern. Es ist wo wohl im Ober- als Niederdeutschen üblich, wird aber im Hochdeutschen am meisten in der höhern und edlern Schreibart gebraucht für das vertraulichere flistern. Mit einem raunen. Einem etwas in das Ohr raunen. Der Zischler Ältester, Bisbill,


Lehrt heimlich, was er lehren will,

Noch gestern hat er ganz erstaunt,

Mir, unter uns, ins Ohr geraunt u.s.f.

Haged.


2) * Figürlich, heimliche Rathschläge und Anschläge ertheilen und entwerfen; und in weiterer Bedeutung, rathschlagen und Rath geben überhaupt; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Das du mit runen midest mich, daß du mich durch geheime Erinnerungen abhaltest, die Winsbeckinn. Alle die mich hassen, raunen mit einander wider mich, Ps. 41, 8, machen heimliche Anschläge, dergleichen das Hebr. לתש bedeutet. Bey dem Ulphilas ist daher Garuni ein Rathschlag, und im Angels. Geruna ein Rath, Consiliarius. Einraunen war ehedem für eingeben üblich. Daß ein Göttinn im söllich groß weyßheit eynrunet,[981] in dem 1514 gedruckten Livius, und Mathesius gebraucht das Einraunen des heil. Geistes von dessen Eingebung.

So auch das Raunen.

Anm. In der ersten eigentlichen Bedeutung bey dem Notker runen, bey dem Hornegk rawnen, im Nieders. runen, im Schwed. ruma, im Angels. rimian, im Engl. to rowne. Im Nieders. ist ohrrunen ein Ohrenbläser seyn, und Ohrruner ein Ohrenbläser. Es ist so wie flistern und wispern eine unmittelbare Nachahmung des durch leise Reden verursachten Lautes. Verwandte davon sind Ottfrieds Grun, Klage, unser greinen, grunzen, ranzen u.s.f. das runczan in der Monseeischen Glosse und bey dem Notker für murren, das Hebr. und Chald. ranaan, murmeln, Rienum, das Gemurmel, und andere mehr, welche ähnliche Schälle nachahmen. Figürliche, aber längst veraltete Bedeutungen von unserm raunen sind, das alte Chiruni und Giruni im Isidor und Tatian, ein Geheimniß, im Angels. Geryna, bey dem Ulphilas Run, und das Wallisische rhinian, zaubern, Isländ. Runa, Zauberey. S. Alraun und Rune.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 981-982.
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