Rechtfertigen

[1004] Rêchtfertigen, verb. reg. act. welches nach Maßgebung der beyden Wörter, aus welchen es zusammen gesetzet ist, verschiedene Bedeutungen hat, welche aber im Hochdeutschen zum Theil veraltet sind.

1. * Recht, d.i. Gericht, halten; eine veraltete Bedeutung. 1) Eigentlich. Herodes ließ die Hüter rechtfertigen, und hieß sie wegführen, Apostg. 12, 19. 2) Figürlich. (a) Prüfen, untersuchen, examiniren. Einen Reisenden rechtfertigen, ihn[1004] examiniren, Fritsch zum Besold bey dem Frisch. (b) Tadeln. Die Weisheit muß sich rechtfertigen lassen von ihren Kindern, Matth. 11, 19; Luc. 7, 35.

2. * Jemanden sein Recht thun, d.i. ihn hinrichten; eine im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung, wo Rechtfertigung ehedem auch die Hinrichtung war. In noch weiterer Bedeutung kommt es in dem Schwabenspiegel auch für strafen überhaupt vor.

3. Recht machen, dem Gesetze, ingleichen den Absichten, den Umständen gemäß, übereinstimmig machen. 1) * Eigentlich; in welcher Bedeutung es gleichfalls veraltet ist. Dahin gehöret auch der ehemahlige Oberdeutsche Gebrauch, da es für reinigen gebraucht wurde. Do kumpt die pestilentz so ist notturft den luft zu rechtfertigen und im sein Boßheit zu benemen, in dem Liber pestilenz von 1500. S. auch die rechtfertigen, d.i. reinen, Schweine, in dem vorigen Worte. 2) Figürlich. (a) Für recht, d.i. den Gesetzen und der Vollkommenheit übereinstimmig, erklären, von allem Verdachte und Argwohne des Unrechtes und der Unbilligkeit los sprechen; in welchem Verstande es im Gegensatze des Verdammens ehedem in den Gerichten sehr üblich war, und es in einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden noch ist. Einen Angeklagten rechtfertigen, ihn frey, los sprechen. Daß du rechtfertigest den Gerechten, und gebest ihm nach seiner Gerechtigkeit, 2 Chron. 6, 23. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertiget, Matth. 12, 37. Und in andern Stellen mehr. Man gebraucht es nur noch theils in weiterer Bedeutung, und in der biblischen Schreibart, von allem Verdachte des Unrechtes los sprechen, ein auf richtige Erkenntniß gegründetes Urtheil von jemandes unverbesserlichem Verhalten fällen, Gott bey andern rechtfertigen; theils auch in der Theologie, als ein Kunstwort, wo der Sünder von Gott gerechtfertiget wird, wenn er von aller Schuld und Strafe der Sünde los gesprochen, und vermittelst der ihm zugerechneten Genugthuung Christi für gerecht, d.i. den göttlichen Absichten gemäß, erkläret wird. S. das folgende. Notker gebraucht dafür rehte getuon, reht machen, rehthaftigen, kerehthaften, alle so wie unser rechtfertigen nach dem Latein. justificare. b) Für recht oder gerecht, d.i. den Gesetzen, der Billigkeit gemäß, zu erklären suchen, die rechtmäßige Beschaffenheit einer Person oder Sache zu beweisen suchen; eine noch völlig gangbare Bedeutung. Er aber wollte sich selbst rechtfertigen, und sprach zu Jesu: wer ist denn mein Nächster? Luc. 10, 29. Sein Betragen rechtfertigen. Wer getrauet sich, diesen Betrug vor der Welt und dem Richterstuhle des Gewissens zu rechtfertigen? Gell. In diesem Verstande schon in dem Schwabenspiegel rehtvertigen. c) * In noch weiterer Bedeutung gebrauchte man es ehedem auch für rechten, prozessiren. Mit jemanden rechtfertigen, da denn Rechtfertigung auch ein Prozeß war.

Anm. Im Nieders. rechtfardigen, im Schwed. rättfärdiga. S. Fertigen, welches hier noch in seiner weitern Bedeutung, für machen überhaupt, vorkommt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1004-1005.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: