Riechen

[1107] Riechen, verb. irreg. ich rieche, du riechst, (Oberd. reuchst,) er riecht, (Oberd. reucht;) Imperf. ich róch; Mittelw. geróchen; Imperat. rieche, (Oberd. reuch.) Es ist in doppelter Bedeutung üblich.

1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, feine Ausdünstungen von sich gehen lassen, welche eine Veränderung in den Nerven der Nase verursachen, oder vermittelst des Geruches empfunden werden. Gut oder wohl riechen, übel, schlecht riechen. Es riecht wie Rosen, oder nach Rosen. Nach Ambra, nach Zwiebeln u.s.f. riechen. Etwas riechend machen. In engerer Bedeutung faul, verdorben riechen, den Anfang der Fäulniß, oder des Verderbens durch den Geruch an den Tag legen, für das niedrigere stinken. Der Todte riecht schon. Das Fleisch fängt an zu riechen. Riechendes Fleisch.[1107]

2. Als ein Activum, diese feinen Ausdünstungen in und mit der Nase empfinden, diejenigen Ausflüsse empfinden, welche eine Veränderung in der Nase hervor bringen. 1) Eigentlich. Etwas riechen. Ich rieche nichts. Die Thiere riechen den Menschen von weitem. Jemanden etwas zu riechen geben. Den Braten riechen, ingleichen Lunte riechen, im gemeinen Leben, etwas merken, von weitem entdecken, vermuthen. Kein Pulver riechen können, zaghaft, feige seyn. Ingleichen mit dem Vorworte an. An etwas riechen, die Nase einem Dinge nähern, um den Geruch zu empfinden. An den Blumenstrauß riechen. 2) Figürlich. (a) Das konnte ich nicht riechen, in der niedrigen Sprechart, nicht merken, nicht wissen. (b) An etwas riechen, auch nur im gemeinen Leben, demselben nahe kommen. Wie eine flächsene Schnur zerreißt, wenn sie ans Feuer reucht, Richt. 16, 9. Er darf nicht in mein Haus riechen. Ich mag nicht riechen in eure Versammlungen, Amos 5, 21.

Daher das Riechen. S. auch Geruch, ingleichen Verriechen und Beriechen.

Anm. Im Nieders. ruken und rüken, im Angels. reac, und selbst im Hebr. ריח und הריח, wo auch ריח, so wie im Arab. Rahha, der Geruch ist. Es ist von Rauch und rauchen nur in der Mundart verschieden. Notker gebraucht riechen für rauchen, und noch in Schwaben sagt man der Ofen riecht für raucht; auch im Nieders. ist ruken einen Geruch machen, wofür wir räuchern sagen. Der Grund der Benennung liegt ursprünglich in einer langsamen leisen Bewegung, welche durch riech, reich, reg, ausgedruckt wird, und welche mehrern Dingen gemein ist. S. Kriechen, Reichen, Regen u.s.f. Die Form du reuchst, er reucht, ist nur einigen rauhen Oberdeutschen Mundarten eigen, ist aber, weil sie den Mund mehr füllet, von einigen auch in die höhere Schreibart aufgenommen worden, ungeachtet der Mißklang merklich genug ist. Einige Oberdeutsche Gegenden, z.B. Baiern, kennen dieses Zeitwort fast gar nicht, wenigstens in den gemeinen Sprecharten nicht, sondern gebrauchen dafür schmecken; die Rose schmecket schön, ich schmecke nichts. Ob sie nun gleich die Natur der Sache für sich haben, weil beyde Sinne nahe genug verwandt sind, daß man sie für Einen halten könnte, so werden sie doch von andern Provinzen dafür verspottet, und müssen sich Schuld geben lassen, daß sie nur vier Sinne haben.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1107-1108.
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