Rieseln

[1113] Rieseln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und den Schall derjenigen Veränderungen genau nachahmet, welche es bezeichnet. Man gebraucht es, 1) von dem mit diesem Laute verbundenen Fließen der Bäche, Quellen und kleinen Flüsse,[1113] besonders wenn sie auf einer abhängigen Fläche fortfließen. Wie sanft rieselst du vorüber, kleine Quelle, durch die Wasserkresse und durch die Bachbungen! Geßn. Rausche sanft, du rieselnde Quelle, ebend. 2) Körnerweise, oder in Körnern herab fallen, welches in einigen gemeinen Mundarten auch röhren genannt wird. Der Kalk rieselt von der Mauer, wenn er in kleinen Körnern herab rollet. Wie ein Riß an einer hohen Mauer, wenn es beginnet zu rieseln, Es. 30, 13. Nieders. grüseln. Es rieselt, sagt man auch, wenn der gefrorne Schnee in Gestalt kleiner Hagelkörner einzeln herunter fällt; Engl. to drizzle, Franz. gresiller. An andern Orten rieselt es, wenn es in einzelnen kleinen Tropfen regnet. Lauter von dem Schalle hergenommene Bedeutungen. Daher das Rieseln.

Anm. Mit allerley Vorlauten stammen davon grüseln, bröseln, das schon gedachte Franz. gresiller, und Gresil, der Hagel, das Engl. to drizzle, und andere mehr her. Rieseln ist das Diminutivum und zugleich das Frequentativum von dem im Hochdeutschen völlig veralteten riesen, abfallen, welches noch im Hoch- und Nieder-Deutschen gangbar ist, bey dem Notker risen, im Schwed. rasa, einstürzen, drossa, bey dem Ulphilas driusan. Im Nieders. ist daher Reß der Abfall vom Korne, und im Schwed. Ras das Bett eines Flusses. Eine Sanduhr heißt um deßwillen auch im Oberdeutschen eine Riesuhr, von riesen, rieseln. S. Gries, Graus und vornehmlich Reisen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1113-1114.
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