Rollen

[1151] Rollen, verb. reg. neutr. et act. welches eine unmittelbare Nachahmung des hohlen, dumpfigen Schalles ist, den es bezeichnet. Es ist in doppelter Gestalt üblich.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, diesen Schall von sich geben oder verursachen.

1. Von großen Schellen oder Glocken sagt man in einigen Gegenden, sie rollen; in welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen unbekannt ist. S. Rolle 5.

2. Am üblichsten und bestimmtesten ist es von demjenigen hohlen, dumpfigen Schalle, welchen ein runder Körper hervor bringt, wenn er sich in Bewegung um seine Achse zugleich schnell auf einer Fläche fortbewegt, besonders wenn diese Fläche hohl ist.

1) Eigentlich. Der Wagen rollt auf dem Pflaster, wenn er auf demselben schnell fährt, welches man in manchen Fällen auch rasseln nennt. Die Wagen rollen auf den Gassen und rasseln auf den Straßen, Nebem. 2, 5. Da wird man hören die Räder rasseln und die Wagen rollen, Kap. 3, 2. Dann rollt die rasselnde Kutsche glänzender Fremden in den Hof, Zachar. Da wo sein goldner Wagen durch gedrängte Reihen entzückter Augen rollt, Raml. Ein runder Körper rollt, wenn er sich in der Bewegung um seine Achse zugleich fortbewegt; Niedersächs. kullern, kurreln. Die Kugel rollt den Berg hinunter.[1151] Einen Stein den Berg hinunter rollen lassen. Ingleichen von dem hohlen, dumpfigen Getöse des Donners, welches dem Rollen einer Kugel auf einer hohlen Fläche gleicht; besonders in der dichterischen Schreibart. Ferne Donner rollen von weiten. Schon höre ich den Donner rollen.

2) In weiterer und figürlicher Bedeutung, wo der Begriff des mit dieser kreisförmigen Bewegung verbundenen Schalles mehr oder weniger verschwindet, und nur den Begriff dieser Bewegung übrig läßt. So gebraucht man dieses Wort (a) von kleinen, rundlichen, festen Körpern, wenn sie auf einer schiefen Fläche herunter fallen, wo die Onomatopöie doch nicht ganz verschwindet. Der Kalk, der Sand rollet von der Wand; besonders wenn es in Menge geschiehet, indem sonst die Wörter röhren und rieseln üblicher sind. Die Erde von dem Berge hinab rollen lassen. Das auf die Kornfege geworfene Getreide rollet daran herab; daher denn auch eine Kornfege selbst eine Rolle genannt wird. Kein Goldsand rollt hinein, in den Fluß, Raml. (b) Von flüssigen Körpern, wenn sie sich in rundlicher, wellenförmiger Gestalt fortbewegen, ohne Rücksicht auf die Menge, ob es gleich eine größere Menge und eine stärkere Bewegung voraussetzt, als rinnen. Eine glänzende Thräne rollt über die Wangen hinab. Zuweilen auch von einem Flusse, in der dichterischen Schreibart. Da wo die stolze Donau an Wiens Mauern vorüber rollt. (c) In der dichterischen Schreibart von jedem runden Körper, wenn er sich schnell fortbewegt, so fern damit die Bewegung um seine Achse verbunden ist; eine Figur der ersten eigentlichsten Bedeutung. Die Augen rollen ihm im Kopfe umher.


Mein Auge rollt verwirrt und sieht ihn schüchtern an,

Schleg.


(d) Endlich bedeutet es im gemeinen Leben einiger Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, auch sich in gerader Richtung schnell fortbewegen; laufen. Auf den Gassen herum rollen. Einem nachrollen, nachlaufen. In das Haus hinein rollen. Unser trollen ist daher entstanden, S. dasselbe. Nach einer noch weitern Figur ist rollen bey den Jägern von den vierfüßigen Raubthieren üblich, so wohl wenn sie sich begatten, als auch wenn sie nach der Begattung verlangen, welches in andern Fällen laufen, brunsten, ranzen, reppen u.s.f. heißt; lauter von der schnellen Bewegung oder dem Geschreye hergenommene Figuren.

II. Als ein Activum. 1) Um seinen Mittelpunct drehend fortbewegen, rollen machen; Nieders. kullern, kurreln, und von kleinern Körpern, trundeln, von rund. Steine, Erde von dem Berge hinab rollen. Ein Faß auf- und abrollen. Ingleichen figürlich, in der dichterischen Schreibart.


Dunkel glänzend rollt der Strom die ruhigen Wogen

Durch das rauchende Land,

Zachar.


für wälzen.

Die Augen im Kopfe herum rollen, wälzen. Den Teig zwischen den Händen rollen, um seine Achse bewegen; im gemeinen Leben wälgern. Auf ähnliche Art wird in den Pfeifen-Manufacturen der Thon mit dem Rollbrete gerollt. 2) Durch solches Rollen oder Wälzen zubereiten. So wird die Wäsche gerollt, wenn sie um eine hölzerne Welle gewickelt, und durch deren Fortwälzung, vermittelst einer darauf gelegten Last, geebnet wird, welches auch mangen, mangeln und mandeln heißt. 3) Ingleichen für sieben, doch nur so fern es vermittelst eines schräge stehenden Siebes geschiehet, an welchem die gröbern, schwerern Theile herab rollen, die kleinern und leichtern aber durchfallen. Getreide, Erde rollen. S. Rolle. 4) Um seinen Mittelpunct biegen, im Kreise zusammen wickeln. Die Haare rollen sich, wenn sie sich in Rollen, d.i. Locken, biegen. Ein Blatt Papier zusammen rollen. Ein Stück Taffet aufrollen, abrollen, zusammen rollen.

So auch das Rollen.[1152]

Anm. Im Niederdeutschen rullen, im Schwed. rulla, im Engl. to roll, im Franz. rouler, im Bretagnischen ruila, im Irländ. rolam, im mittlern Lat. grollare. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Schalles. Das Nieders. rüllen bedeutet auch prügeln; eben daselbst ist rallen auch ein lärmendes Getöse machen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1151-1153.
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