Scharf

[1361] Scharf, schärfer, schärfeste, adj. et adv. welches vermittelst des Endlautes f von scharen, scheren, abstammet, so fern es ehedem schneiden überhaupt bedeutete.

1. Eigentlich, schneidend; im Gegensatze des stumpf. Ein Messer ist scharf, wenn es gut oder gehörig schneidet. Ein scharfes Messer, ein scharfes Schwert, eine scharfe Axt, eine scharfe Sichel u.s.f. Ein scharfer Stein. Scharfe Ecken haben, gleichsam schneidende, im Gegensatze der stumpfen. Ein Messer, eine Axt scharf machen, sie schärfen.

2. In weiterer Bedeutung ist scharf oft dem runden entgegen gesetzt. Bey den Mahlern und Bildhauern müssen die Muskeln an männlichen Körpern scharf seyn, dagegen sie an weiblichen Figuren kaum merklich seyn müssen.

3. Figürlich. 1) Auf eine wirklich verletzende Art. Ein Gewehr scharf laden, mit Kugeln, im Gegensatze des blind. Scharf feuern. Ein scharfer Schuß, Scharfschuß. Das Scharfrennen, eine ernstliche Art des Turniers mit scharfem Gewehre. Im Kriege gehet es scharf her. 2) Eine beißende Empfindung verursachend. Ein scharfer Wind, ein rauher, schneidender. Ein scharfes Geblüt, welches viele salzige und saure Theilchen hat. Eine scharfe Lauge. Besonders in Ansehung des Geschmackes. Das Bier ist scharf, wenn dessen geistige Stärke eine Art einer schneidenden Empfindung auf der Zunge macht; Nieders. schrell, dergleichen etwas auch die Oberdeutschen durch hantig und räß ausdrucken. Ein scharfer Essig. Der Senf, der Rettig, der Käse ist scharf. 3) Nach einer noch weitern Figur für strenge; im Gegensatze des gelinde. Jemanden in scharfer Zucht halten. Einem scharf seyn. Ein scharfer Vater. Scharf mit jemanden verfahren. Alles auf das schärfste beurtheilen, untersuchen. Etwas auf das schärfste verbiethen. Ein scharfer Befehl. Jemanden scharf anreden, hart auf eine empfindliche Art. Die scharfe Frage, in den Rechten, die Tortur. Scharf an einander kommen, hitzig. 4) Für genau, enge. Jemanden scharf bewachen. Scharf geschlossen seyn. Eine scharfe Nachfrage halten. Das Gewehr scharf schultern, fest an die Schultern anlegen. 5) Mit genauer Bemerkung aller Umstände und Kleinigkeiten. Besonders von dem Sinne des Gehöres und Gesichtes. Ein scharfes Gehör haben, scharf hören. Scharf sehen, ein scharfes Gesicht haben. S. Scharfsichtig. Du hörst so scharf als sie, Haged. Jemanden scharf ansehen, starr, als wenn man alle Kleinigkeiten in seinem Gesichte beobachten wollte. Haarscharf, im gemeinen Leben, überaus scharf, so daß man auch kein Haar übersiehet. Ingleichen von gewissen Fähigkeiten des Geistes. Ein scharfes Gedächtniß, welches alle Kleinigkeiten fasset und behält. Eine scharfe Beurtheilungskraft, einen scharfen Verstand haben. Scharf auf etwas merken. Scharf denken, alle kleine Umstände an einer Sache überdenken. Bey Leuten, die nicht scharf denken können, thun witzige Blendwerke oft gute Dienste, Gell. 6) Von dem Schalle oder Tone ist scharf zuweilen durchdringend und zugleich hell; Nieders. schrell. Einen scharfen Ton haben. In einem etwas andern Verstande ist in der Sprachkunst ein scharfer Ton der ungedehnte Ton, mit welchem eine Sylbe zwar kurz aber deutlich und mit merklicher Erhebung der Stimme ausgesprochen wird.[1361] So haben die ersten Sylben von machen, sterben, Hölle, einen scharfen, oder geschärften, in leben, stehen, fließen aber einen gedehnten Ton. 7) In manchen Fällen, besonders des gemeinen Lebens, wird es für schnell, und figürlich von einem merklichen Grade der innern Stärke gebraucht. Scharfe Wasser, schnell fließende. Scharf zugehen, scharf zufahren, schnell. Scharf arbeiten. Es gehet hier scharf her. Der Weihrauch dampfte scharf, Günth.

Anm. Bey dem Kero sarf, bey dem Ottfried sarph, bey dem Notker sarf, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno sceirph, im Nieders. scharp, im Angels. scearp, im Engl. sharp, im Holländ. scharp, scherp, wo es auch rauh bedeutet, im Schwed. skarp. Da Dinge, welche trocken sind, sich gemeiniglich scharf anfühlen lassen, so ist skarp im Schwed. auch trocken, wohin auch das Nieders. sor, das Hebr. שרב, austrocknen, und ohne Zischlaut das Griech. καρφειν, austrocknen, gehören. Scharf stammet von 1 Schar her, und kann alle die Bedeutungen haben, deren dieses Wort fähig ist, daher die oben angeführten nicht eben alle Figuren der schneidenden Beschaffenheit seyn dürfen, obgleich einige es wirklich sind. Ehedem wurde es auch für schroff, sah, steil, gebraucht, in welchem Verstande es noch im Theuerdanke vorkommt. Opitzens schärflich für scharf, etwas schärflich gebiethen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1361-1362.
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