Schelten

[1412] Schêlten, verb. irreg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert; ich schelte, du schiltst, er schilt; Imperf. ich schalt, Conj. ich schälte, (ehedem scholt, schölte;) Mittelw. gescholten; Imper. schilt. Es ist ein vermittelst der intensiven Endung -ten gebildetes Intensivum von schallen und schellen, und bedeutet,

1. Eigentlich einen starken Schall, und in weiterer Bedeutung einen Schall von sich geben und hervor bringen. Diese Bedeutung ist zwar im Hochdeutschen längst veraltet, indessen kommen doch noch manche Spuren davon vor. Wenn das weibliche Geschlecht, des Noth- und Tannwildbretes seine Stimme hören läßt, so nennen die Jäger solches noch schelten und schalten. Das Schwed. skälla, welches mit unserm schelten gleichbedeutend ist, heißt eigentlich bellen.

2. In engerer Bedeutung, nachdrückliche und laute Worte von sich hören lassen, mit starker lauter Stimme sprechen oder reden, besonders von einzelnen Arten der lauten Rede. 1) * Ernstlich befehlen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Und er schalt das Schilfmeer, da ward es trocken, Ps. 106, 9. Siehe mit meinem Schelten mache ich das Meer trocken, Es. 50, 2. Der das Meer schilt und treuge macht, Nahum. 1, 4. 2) * Anklagen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher Schelte in den vorigen Jahrhunderten mehrmahls für Klage vorkommt. 3) * Rufen, nennen, welche Bedeutungen im Hochdeutschen auch nicht mehr üblich sind. Im gemeinen Leben einiger Gegenden sagt man noch, jemanden einen gnädigen Herrn schelten, d.i. tituliren; sich Excellenz schelten lassen, ohne daß man dabey an die folgende fünfte Bedeutung dächte. 4) * Fluchen; eine noch hin und wieder gangbare Bedeutung. 4 Mos. 23, 7, 8 heißt es noch: verfluche mir Jacob, komm schilt Israel. – Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht fluchet? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt? Wo fluchen und schelten gleichbedeutend zu seyn scheinen. 5) Seinen Unwillen durch heftige Worte an den Tag legen; so wohl absolute und als ein Neutrum. Den ganzen Tag schelten. Als auch thätiger Weise mit der vierten Endung der Sache. Jemanden schelten. Christus schalt nicht wieder, da er gescholten ward, 1 Petr. 2, 23. Jesus schalt ihren Unglauben, Marc. 16, 14. Jemanden einen Schelm schelten, ihn im Unwillen so nennen, wo zugleich die vorige dritte Bedeutung des Nennens mit eintritt. Statt der vierten Endung findet auch das Neutrum mit dem Vorworte auf Statt. Auf jemanden schelten, seinen Unwillen über ihn durch heftige Worte ausbrechen lassen. In weiterer Bedeutung für tadeln, in welchem Verstande es noch hin und wieder gehöret wird. Ich kann es weder loben noch schelten. Das ist nicht zu schelten. Ein unbescholtener Mann, dem man nichts Nachtheiliges nachsagen kann.[1412] Ehedem war ein Urtheil schelten von demselben appelliren; im mittlern Lat. blasphemare, Franz. blamer.

3. * Figürlich, erklären; eine veraltete Bedeutung. Ehedem sagte man, jemanden quit schelten, ihn für frey von seiner bisherigen Verbindlichkeit erklären. Jemanden unschuldig schelten, ihn für unschuldig erklären. Im Niedersächsischen ist diese Bedeutung noch gangbar. So auch das Schelten.

Anm. In der vorigen fünften Bedeutung schon bey dem Ottfried und Notker schelten, im Nieders. schelden, schellen, im Angels. scyldan, im Engl. to scold, im Lotharing. chelté. Nach dem, was oben angeführet worden, bedarf Frischens und anderer Ableitung, welche dieses Wort von Schuld abstammen lassen und es durch beschuldigen erklären, wohl keiner weitern Widerlegung. Die Sylbe -ten ist ein sehr gewöhnliches Zeichen einer Intension, so daß schelten zunächst von schellen abstammet. Ohne diese Intension ist im Schwed. skälla so wohl bellen als schelten. Siehe auch Schalten, welches sich auf eine ähnliche Onomatopöie gründet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1412-1413.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika