Schielen

[1446] Schielen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und eigentlich schief seyn bedeutet, aber nur in engerer Bedeutung von der Art und Weise zu sehen, und wie die Dinge durch das Gesicht empfunden werden, gebraucht wird. 1. Eigentlich, wo man schielet, 1) wenn man einen Gegenstand seitwärts oder von der Seite ansiehet. Wenn die Sunn den mon (Mond) bey siezt anschilhent oder anscheinent, in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur.


Kumt ein iunger ieze dar

So wirde ich mit twerhen ougen

Schilhend angesehen,

Herm. von der Vogelweide.


Jetzt schielt er dem Mädchen aufs Mieder, Bernh. Nach etwas schielen, verstohlen von der Seite sehen. 2) Wenn die Achse des einen Auges schel oder schief, d.i. anders, gerichtet wird, als die Achse des andern Auges, da man denn die Gegenstände doppelt siehet. Schielen, so sehen. Mit den Augen schielen. Ein schielendes Gesicht. Schon bey dem Notker schielen, im Nieders. schelen, im Angels. scylian, im Schwed. skäla und skela, und selbst im Griech. σκολιευειν, σκολιειν. Im Oberdeutschen sind dafür die Intensiva schiglen, schickeln und schelchen üblich, so wie man im Niedersächsischen für schielen auch grellen sagt. 2. Figürlich. 1) Von Farben und gefärbten Dingen. Ein Zeug schielet, wenn er aus einer Farbe in die andere spielet; wofür man in den gemeinen Sprecharten auch das Intensivum schillern gebraucht, wovon die Wörter Schillebold, Schillertaffet u.s.f. abstammen, S. dieselben, ingleichen Schieler. Noch gewöhnlicher gebraucht man es von einer Farbe, welche auf eine fehlerhafte Art in die andere spielt. So schielen die hellen Emaille-Farben oder werden schielend, wenn eine beygemischte fremde Farbe ihnen ihren Glanz, ihr Licht benimmt. 2) Ein Ausspruch, ein Urtheil, ein Satz, eine Definition schielet, oder noch häufiger, ist schielend, wenn sie nicht völlig auf die Sache, auf die Umstände passet, etwas andres mit bezeichnet, was sie nicht bezeichnen soll.

[1446] So auch das Schielen. Es ist von dem Bey- und Nebenworte schiel, schel, schief, Niedersächs. schell, Oberd. schelch, Schwed. skäll, Griech. σκολιος. S. Schiel und Schel.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1446-1447.
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