Schmerz, der

[1569] Der Schmêrz, des -ens, Dat. dem -en, Acc. den Schmerz, Plur. die -en. 1) Eigentlich, diejenige unangenehme Empfindung, die aus der Trennung des Stetigen in unserm Körper entstehet, welche Trennung des Stetigen bey genauer Untersuchung die Ursache eines jeden Schmerzens ist. Einen heftigen Schmerz in der Seite empfinden. Einen Schmerz in der Seite haben oder fühlen. Viele Schmerzen ausstehen. Der Schmerz läßt nach, höret auf, vergehet, hält an. Wo der Plural, so wie in der folgenden Bedeutung, auch häufig anstatt des Singulars gebraucht wird. Heftige Schmerzen empfinden. Vor Schmerzen schreyen. Keine Schmerzen fühlen. Unter großen Schmerzen sterben. Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Gichtschmerzen, Steinschmerzen. Schmerz ist ein allgemeiner Ausdruck, welcher den Grad unbestimmt läßt. Die heftigsten Grade des Schmerzens drückt man durch Pein, Qual und Marter aus. 2) Figürlich, unangenehme Empfindung des Gemüthes, zunächst über den Verlust eines Guten, hernach aber auch über eine jede unangenehme Veranlassung; wo es aber doch nur von einem gewissen heftigen Grade dieser Empfindung gebraucht wird, indem die schwächern durch Unlust, Traurigkeit, Gram, Betrübniß u.s.f. angedeutet werden. Der Schmerz über den Verlust eines Freundes, einer geliebten Person, seines Vermögens u.s.f.


Der Schmerz um ihn ist für mein Herz

Selbst noch ein angenehmer Schmerz,

Gell.


Wir erwarten ihn mit Schmerzen, von einem hohen Grade der Sehnsucht und Unruhe. Ich höre es mit Schmerzen, mit einem hohen Grade der Betrübniß, der Traurigkeit, des Bedauerns.

Anm. 1. In der Declination des Singulars dieses Wortes sind die Deutschen, und selbst die Sprachlehrer, nicht einig. Einige Oberdeutsche machen die erste und vierte Endung Schmerzen nach dem Muster von Karpfen, Tropfen, Lappen, Batzen u.s.f. Mein Schmerzen ist immer für (vor) mir, Ps. 38, 18. Schmerzen wird sie ankommen, Es. 13, 8. Schauet meinen Schmerzen, Klagel. 1, 18. Andere decliniren es wie Glaube, der[1569] Schmerze, des -ns, dem -n, den -n, u.s.f. Noch andere wie Pferd, Schmerz, Schmerzes, Schmerze, nur daß sie im Plural für Schmerze doch Schmerzen sagen. Am richtigsten wird dieses Wort auf die oben angezeigte Art wie Herz abgeändert, so daß beyde Wörter eine Ausnahme von der gewöhnlichen Regel machen.

Anm. 2. Bey dem Ottfried Smerza, im Nieders. Smart, im Angels. Smeorte, im Engl. Smart, im Schwed. Smärta, im mittlern Latein. ohne Zischlaut Mara und Marantia. Da der Schmerz im eigentlichen Verstande allemahl eine Trennung des Stetigen voraussetzt, so kann man dieses Wort füglich als eine Figur von dem jetzt nur in der intensiven Form üblichen Schmarre ansehen, welches ein Zeitwort schmaren voraus setzt, welches schneiden u.s.f. bedeutet hat, und wozu ohne Zischlaut auch märzen, Ulphilas maurgan, abschneiden, und das Griech. μειρειν, absondern, vielleicht nach einer andern Figur auch das Hebr. מרר, bitter seyn, und das Lat. amarus gehören, bey welchem letztern das a, wie in vielen andern Wörtern, nicht zum Stamme gehöret. Auch das Slavon. Smert, der Tod, Lettisch Smertis, Lat. ohne Zischlaut Mors, läßt sich hierher rechnen, indem doch der Tod gemeiniglich als die schmerzhafteste Trennung angesehen wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1569-1570.
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