Schooß, der

[1625] Der Schooß, des -es, plur. die Schöße, Diminut. das Schȫßchen, Oberd. Schȫßlein, ein Wort, welches in einer[1625] doppelten Bedeutung gangbar ist. 1) Der Bug am Unterleibe eines Menschen, besonders, wenn er sitzet, wo es bald von diesem Buge, und in der anständigen Sprechart auch von den in dessen Gegend befindlichen Theilen gebraucht wird; die Mutterscheide erstreckt sich von der Bärmutter bis in den weiblichen Schooß. Bald von der Vertiefung, welche im Sitzen in dieser Gegend zwischen den Schenkeln entstehet; einen Schooß machen, besonders von weiblichen Personen, im Sitzen die Schenkel ein wenig von einander thun, damit eine Vertiefung entstehe. Das Schäflein schlief in seinem Schooß, 2 Sam. 12, 3. Bald aber auch von den Schenkeln eines Sitzenden, mit dem Vorworte auf; ein Kind auf den Schooß nehmen; jemanden auf dem Schooße sitzen. Daher die figürlichen Redensarten. Die Hände in den Schooß legen, müßig gehen. Dem Glücke im Schooße sitzen, ein anhaltendes Glück, eine fortdauernde Glückseligkeit genießen. In dem Schooße des Glückes ist noch selten ein Mann erzogen worden, Dusch. Ingleichen in einigen Fällen figürlich, das Innere, das Mittel eines Dinges. In den Schooß der Kirche zurück kehren, in die Gemeinschaft der Glieder derselben. Der süße Frieden, welchen man im Schooße seiner Familie genießt. Sein Herz in den Schooß eines Freundes ausschütten. Aus dem Schooße beyder Indien hohlt die Handelschaft neuen Samen von Haß, Zwist und Krieg.


Erde, mein mütterlich Land, die du mich im kühlenden Schooße

Einst zu den Schlafenden Gottes begräbst,

Klopst.


2) Derjenige Theil der männlichen Kleidung, welcher sich zur Seite des Schooßes von dem Leibe an erstrecket. Der Schooß eines Kleides. Ein Kleid mit gesteiften Schößen. Gemeiniglich glaubt man, daß diese Bedeutung eine Figur der vorigen sey, weil diese Theile sich wirklich zu beyden Seiten des Schooßes befinden. Allein aus den gemeinen Mundarten erhellet, das Schooß hier zunächst zu einem andern Stamme gehöret. Das Nieders. Schoot bedeutet nicht allein diesen Theil des männlichen Kleides, sondern den Zipfel eines jeden Kleidungsstückes, ja auch eines Segels, den Schweif, die Schleppe, ferner einen jeden Keil, Zwickel oder Gehren an einem Kleidungsstücke; welche Bedeutung schon das alte Gothische Skauta, der Schweif, das Angels. Sceat, und Schwed. Sköt, haben, welche auch den Winkel, die Ecke, bedeuten. Bey den Niedersächsischen Schneidern ist schöteln, das Stück Zeug, welches das Kleid länger und weitläufiger machen, und Falten verursachen soll, ansetzen. Die Obersächsischen Fleischer nennen auch das lappige dünne Fleisch an einem Rinde, welches noch unter den Lappen hängt, den Schooß. Aus welchen allen erhellet, daß dieses Wort hier etwas hervor ragendes, eine Ecke, einen Zipfel bedeutet, und allem Ansehen nach zunächst zu schießen und Schoß gehöret.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker im weiblichen Geschlechte Scozza, im Schwabensp. die Schoeze, und noch jetzt durch ganz Ober-Deutschland die Schooß, bey dem Stryker hingegen im ungewissen Geschlechte das Schos, im Nieders. Schoot. Im Hochdeutschen ist das männliche Geschlecht das gangbarste. Der Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes, ist in dieser Bedeutung der herrschende, (S. Schüssel,) so wie es in der zweyten der Begriff der Hervorragung, der Spitze, des Winkels ist. Man hat es schon lange für nöthig gehalten, das gedehnte o in diesem Worte, wodurch sich dasselbe von Schóß, tributum, unterscheidet, ausdrücklich zu bemerken. Frisch schreibt Schos, welches aber wider die Aussprache des s ist, welches in der Verlängerung deutlich genug wie ß lautet, und folglich auch so geschrieben werden muß. Die gewöhnlichste Schreibart ist Schooß, welche aber auch ihre Unbequemlichkeit hat, besonders im Plural, und in den Ableitungen,[1626] wo man wider die Gewohnheit entweder Schööße und Schöößchen, oder auch, der Gewohnheit zu Folge, Schöße und Schößchen schreiben muß, in welchem letztern Falle es denn wieder nicht von Schößchen mit dem geschärften o, ein kleines Fenster in einem größern, ein kleines Stockwerk, ingleichen ein kleines Jahrreis, unterschieden werden kann. Am besten wäre es, man schriebe statt des verdoppelten Vocals hier und in allen ähnlichen Fällen Schohß, Schöhße, Schöhßchen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1625-1627.
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