Schuldheiß, der

[1675] Der Schuldheiß, zusammen gezogen Schulze, des -en, plur. die -en, dessen Gattinn, die Schuldheißinn, Schulzinn. 1) * Überhaupt, eine Person männlichen Geschlechtes, welche andern zu befehlen hat, sie zu Erfüllung ihrer Schuldigkeit heischet oder anhält; eine jetzt veraltete Bedeutung. Bey dem Ottfried ist Sculdheizzo ein Hauptmann, bey dem Notker Commentariensis, und in der Monseeischen Glosse, ein Procurator, Kravo, Graf. Dem Paulus Diaconus zu Folge wurden bey den Longobarden die Landvögte oder Gouverneurs der Provinzen Schuldaben genannt, welche die Deutschen Schultheißen nannten. In einigen Niederdeutschen Gegenden wird erste und oberste Knecht auf den adeligen Gütern und Meierhöfen, welcher die Aufsicht über die andern hat, Schulte genannt, welches unser Hochdeutsches Schulze ist. 2) Derjenige, welcher an einem Orte die Gerichtbarkeit ausübet, Präsident in einem Gerichte ist, und die Gerechtigkeit handhabet. In diesem Verstande werden die Richter in manchen Städten so wohl Ober- als Nieder-Deutschlandes noch jetzt Schuldheißen, Stadtschuldheißen und zusammen gezogen Schulzen, Stadtschulzen genannt, da denn auch in Reichsstädten derjenige, welcher die obere Gerichtbarkeit im Nahmen des Kaisers und Reichs verwaltet, der Reichsschuldheiß genannt wird. An andern Orten heißen sie Vögte, Stadtvögte, Reichsvögte. Am üblichsten ist dieses Wort auf den Dörfern, wo der Schuldheiß und im gemeinen Leben Schulze, eine obrigkeitliche Person ist, welche für die Aufrechthaltung der Polizey und guten Ordnung sorgt, die Befehle des Gerichtsherren vollziehet, die Abgaben einsammelt und weiter liefert, zuweilen auch der Dorfrichter, oft aber noch von demselben verschieden ist.

Anm. Im mittlern Lateine Sculdasius, Sculdasio, Scultetus. Da dieses Wort von den ältesten Zeiten an sehr bestimmt Schuldheiß geschrieben wird, so wird es sehr wahrscheinlich, daß es von Schuld, Schuldigkeit, und heißen oder heischen, zusammen gesetzet ist, weil der Schuldheiß in den ältern Zeiten bloß über Schuld und Gülte oder bürgerliche Sachen zu richten hatte, dagegen die peinlichen für den Grafen gehörten. In der Folge ward der Schuldheiß oft des Grafen Vicarius in peinlichen Sachen. Das im gemeinen Leben, besonders von Dorfschuldheißen übliche Schulze wird füglich als eine Zusammenziehung davon angesehen. Im Angels. lautet dieses Wort Scultheta, im Sachsenspiegel Scultheit, von dem Nieders. heten, heißen; woraus denn gleichfalls das Nieders. Schulte, Fries. Schelta, Wend. Scholta, verkürzet sind, obgleich Wachter und andere dieses lieber von schalten, befehlen, ableiten wollen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1675.
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