Schweifen

[1730] Schweifen, verb. reg. welches als ein Intensivum von schweben angesehen werden kann, und in einer doppelten Gestalt üblich ist.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, wo es eigentlich bedeutet, sich in einem weiten Raume hin und her bewegen, so wie schwanken, und besonders mit dem Nebenbegriffe der ungewissen Richtung gebraucht wird. Im Lande umher schweifen. Aus den Schranken schweifen. Der Verdacht der Gräfinn schweift auf einer ganz andern Fährte, Less.


Die phantasirenden Sinnen

Schweiften in goldnen Träumen umher,

Zachar.


S. Ausschweifen.

II. Als ein Activum. 1. Mit einem Schweife versehen; wo es unmittelbar von Schweif abstammet, aber nur in dem Mittelworte geschweift üblich ist. Ein schön geschweiftes Pferd, welches einen schönen Schweif hat. 2. Schweifen machen, in einem weiten Raume bewegen. 1) Eigentlich, wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. (a) Einen flüssigen Körper hin und her bewegen, wie schwänken, in welcher Bedeutung es für spülen in den Zusammensetzungen abschweifen und ausschweifen am üblichsten ist, S. dieselben. Bey dem Notker ist uberschweifig überschwänklich. (b) Fegen, besonders in der Landwirthschaft, wo das ausgedroschene Getreide geschweift wird, wenn man die Spreu mit einem Besen von Binsen und mit weiten Zügen davon abfeget. Im Angelsächs. ist sweopan, im Englischen to sweep, im Schwedischen sopa, gleichfalls fegen oder kehren. (c) Die Bortenwirker schweifen die Kette, wenn sie selbige an den Schweifrahmen spannen. 2) Figürlich, bogenförmig ausschneiden, besonders in dem zusammen gesetzten ausschweifen,[1730] S. dasselbe. Bey den Tischlern werden die Rehfüße zu den Tischen mit der Schweifsäge geschweift. So auch das Schweifen, und im Activo zuweilen die Schweifung, besonders in der Bedeutung einer bogenförmigen Rundung.

Anm. Im Engl. to sweep, im Schwed. im Neutro sväfva, Isländ. vofa. Es ist mit schweben verwandt, deutet aber durch den Diphth. ei eine Bewegung in einen weitern Raum an, als jenes. Im Niedersächsischen hat man davon das Intensivum sweppen, hin und her schwanken, S. Schwabbeln. Eben daselbst ist Swepe eine lange Peitsche, (Engl. Whip, Angelsächs. Hweop,) swöpen peitschen, und Swopp der Wipfel. Im Schwed. ist svepa einwickeln, im Isländ. swipa schnell bewegen, und bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern biswifen umarmen. Siehe Schweben, Weben, Weifen, Wipfel, Wippe u.s.f. welche alle verwandt sind. Mit einem andern Endlaute ist suuihon, bey dem Kero, umher schweifen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1730-1731.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika