Schwellen

[1741] Schwêllen, ein Zeitwort, welches in einer doppelten Gestalt üblich ist.

I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, und irregulär abgewandelt wird; ich schwelle, du schwillst, er schwillt; Imperf. ich schwoll, Conj. schwölle; Mittelw. geschwollen. Durch innere Anhäufung oder Ausdehnung der Theile der ganzen Masse nach ausgedehnet werden, besonders in die Höhe. 1. In eigentlichem Verstande. Das Wasser schwillt, wenn es sich anhäuft und aus Mangel des Abflusses der Höhe nach zunimmt. Der den Himmel ohne Gehülfen ausdehnt, und auf die geschwollnen Fluthen tritt, Hiob 9, 8, nach Michaelis Übersetzung. Auch von den Augen, wenn sie von den zudringenden Thränen ausgedehnet werden. Mit schwellenden Augen Abschied nehmen. Am üblichsten ist es von menschlichen und thierischen Körpern, wenn eine innere Ursache sie auf eine widernatürliche Art ausgedehnet und aufgetrieben hat. Geschwollene Füße haben. Die Hand schwillet mir. Der Leib ist dem Patienten geschwollen. S. Schwulst und Geschwulst. 2. Figürlich. 1) Dann schwellt (schwillt) mir die Brust, Gedanken drängen sich dann auf, ich kann sie nicht entwickeln, Geßn. Voll von frohem Entzücken schwellt (schwillt) ihm die Brust, eben ders. 2) Der Muth schwillt, wenn er zunimmt, größer wird. Sprichw. Wenn man den Bauern bittet, so schwillt ihm der Muth.


Ihr Gemüthe schwillet nicht,

Wenn das Glücke sie bescheinet,

Opitz;


wird nicht stolz. In einem andern Verstande sagt Ottfried: so suillet uns thaz Muot ser, nähmlich vor Zorn. 3) Zuweilen auch an Masse und Anzahl zunehmen. Die Bücher schwellen, werden zahlreicher, Herd.

II. Als ein Activum, mit regulärer Abwandlung, du schwellst, er schwellt, Imperf. ich schwellete, Mittelw. geschwellet; schwellen machen. Ein Pferd schwellen, es wund reiten, drücken, so daß die gedrückte Stelle schwillt. Das Wasser schwellen, ihm den Abfluß benehmen, so daß es anwächset. Bald schwellt er (der Mond) das Meer, Lohenst. macht, daß es in der Fluth anläuft.


Die sterbende Sara

Schwellt das Mitleid herauf zu unserm thränenden Auge,

Zachar.


So auch das Schwellen.

Anm. Bey dem Ottfried suellan, im Nieders. swellen und swillen, im Angels. swellan, im Engl. to swell, im Schwed. sväila. Der herrschende Begriff ist die Ausdehnung von innen nach allen Seiten, besonders der Höhe nach. In Ansehung der Form ist es ein Intensivum von einem veralteten Zeitworte schwelen, welches so wie schwellen eigentlich das Geräusch mehrerer sich versammelnden, sich anhäufenden Dinge ausdruckt, von welchem[1741] die Ausdehnung von innen eine Figur ist. Im Schwed. ist svalla noch jetzt brausen. S. auch Schwall, Schwiele, Wallen, Welle und Beule, welchen drey letztern nur der Zischlaut mangelt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1741-1742.
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