Seil, das

[36] Das Seil, des -es, plur. die -e, Diminut. das Seilchen 1. Im weitesten Verstande, ein jedes starkes Band, damit zu ziehen, zu tragen, zu befestigen u.s.f. Bey dem Ulphilas heißt Sail, ein Riemen. Im Bergbaue wird die Haspel- oder Göpelkette das Seil genannt, wo es aber auch eine Figur der folgenden engern Bedeutung seyn kann, weil man sich statt derselben anfänglich eines Seiles bedienet. Daher, etwas zu Seil bringen oder schicken, im Bergbaue, es zu Tage ausfördern, aus der Berggrube ziehen. Übrigens ist es in dieser weitesten Bedeutung veraltet.

2. In engerm Verstande werden gewisse biegsame lange Bande Seile genannt, welche stärker als eine Schnur, und oft auch als eine Leine, und schwächer als ein Tau sind, und welche oft auch Stricke genannt werden, besonders, wenn sie kurz sind. Strohseile, von Stroh, die Garben damit zu binden, Bastseile u.s.f. Am häufigsten sind sie aus Hanf. Etwas an einem Seile niederlassen. Auf einem Seile tanzen. Jemanden das Seil über den Kopf werfen, ihn listig berücken. An Einem Seile ziehen, in einer bösen Sache Eines Sinnes, Eines Willens Seyn, ein Mitschuldiger seyn. Das Brunnenseil, Glockenseil, Leitseil, Ziehseil, ein Schiff damit zu ziehen, und so ferner.

3. In noch engerer Bedeutung. (1) Die Zugseile, woran das Lastvieh ziehet, welche, wenn sie nicht lederne Riemen oder Ketten sind, jetzt lieber Stränge genannt werden, hießen ehedem nur Seile. In weiterm Verstande wird noch im Niederdeutschen das ganze Pferdegeschirr, auch wenn es aus Leder ist, im Plural die Sälen oder Siehlen genannt; entweder als ein Überbleibsel der ersten ältesten Bedeutung, oder auch, weil es in den ältesten einfältigen Zeiten aus eigentlichen Seilen bestand. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung ungewöhnlich; indessen scheinet doch Luther in einigen Stellen der Deutschen Bibel darauf angespielt zu haben. Lasset uns von uns werfen ihre Seile, Ps. 2, 3. Ich ließ sie in Seilen der Liebe gehen, Hos. 11, 4. Der Herr hat der[36] Gottlosen Seile abgehauen, Ps. 129, 4. (2) Ein Seil von einer bestimmten Länge, in welchem Verstande es in einigen Gegenden ein Längenmaß ist. Ein Land- oder Waldseil in Böhmen hält jetzt 52 Ellen, und ein Weinbergsseil 64. In Danzig hält ein Seil zehn Ruthen oder 150 Fuß.

Anm. Schon bey dem Ulphilas Sail, bey dem Ottfried Seil, im Angels. Saela, Sal, welches aber auch einen Riemen und Zügel bedeutet, im Nieders. Seel, im Schwed. Sele, die Sielen, im Poln. Sidlo, und schon bey dem Hesych. σιλλον. S. auch Sille. Vermuthlich mit dem herrschenden Stammbegriffe der biegsamen Ausdehnung in die Länge, S. 1 Sahl.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 36-37.
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