Speyen

[188] Speyen, verb. irregul. Imperf. ich spie; Mittelw. gespien. Es wird mit der vierten Endung als ein Activum, ohne dieselbe aber auch als ein Neutrum gebraucht, in welchem Falle es das Hülfswort haben erfordert. Es bedeutet, mit Heftigkeit aus dem Munde und mit dem Munde auswerfen.

1. Eigentlich, wo es wegen der damit verbundenen und dem Wohlstande zuwider laufenden Heftigkeit nur im gemeinen Leben und in den niedrigen Sprecharten üblich ist. Der Hund frisset wieder, was er gespeit (gespien) hat, 2. Petr. 2, 22. Die Speisen wieder aus dem Munde speyen. Blut speyen, auswerfen, durch den Mund von sich geben.[188]

2. In einigen engern Bedeutungen. (1) Den Speichel auswerfen, als ein Neutrum, aber auch nur im gemeinen Leben, außer wenn man die damit verbundene Heftigkeit vorsetzlich andeuten will. Jemanden in das Gesicht speyen, zum Zeichen der äußersten Verachtung. Wenn ihr Vater ihr ins Angesicht gespeyet (gespien) hätte, 4 Mos. 12, 14. Sie schonen nicht vor meinem Angesichte zu speyen, (auszuspeyen), Hiob 30, 10. Von der gewöhnlichen Auswerfung des Speichels ist im gemeinen Leben der Hoch- und Niederdeutschen spucken, im Oberd. aber spützen und speicheln üblich. (2) Was im Magen befindlich ist, durch eine gewaltsame Zusammenziehung von sich geben. Galle speyen. Alles Essen wieder von sich speyen. Ingleichen ohne Accusativ als ein Reciprocum, sich speyen. Alles nur im gemeinen Leben, wofür in der noch niedrigen Sprechart kotzen, sich kotzen, im gemeinen Leben auch brechen, und sich brechen, in der anständigen Sprechart aber sich übergeben üblich sind. Die Härte des Wortes speyen zu verbergen, nennt man diese Handlung auch mit einer scherzhaften Zweydeutigkeit nach Speyer appelliren.

3. Figürlich, aus einer Öffnung als aus einem Munde mit Heftigkeit von sich geben. Der Berg speyet Feuer, wenn er brennende Mineralien mit Heftigkeit auswirft. Ein feuerspeyender Berg, welchen ungeschickte Übersetzer wohl mit einem Französischen Ausdrucke einen Vulkan zu nennen pflegen.


Der blanke Degen klirrt, das Pflaster speyet Gluth,

Zachar.


Wasser ausspeyen. Feuer und Flamme speyen, einen heftigen Zorn ausbrechen lassen. Geld speyen müssen, in der niedrigen Sprechart, es wider Willen hergeben müssen. So auch das Speyen.

Anm. Schon bey dem Ulphilas spiwan, bey dem Kero spian, bey dem Ottfried spiwan, spean, in einigen Oberdeutschen Gegenden spöwen, im Nieders. spijen, im Angels. spiwan, im Engl. to spew, spue, spawl, im Schwed. spy, im Ißländ. spya, im Lat. spucre, im Griech. σπειειν; alle, theils von der Auswerfung des Speichels, theils von dem Erbrechen. S. Speichel. Mit einem andern Endlaute, welcher gewisser Maßen diminutiv ist, wenigstens die Heftigkeit des breitern speyen mildert, wird von der gewöhnlichen Auswerfung des flüssigen Speichels im Oberd. spützen gebraucht, Angels. spaetan, spaedan, spittan, Lat. sputare, Griech. ψυττειν πτυειν, daher im Niedersächs. Spedel, der Speichel ist. Mit einem noch andern aber gleichfalls verkleinernden Endlaute ist dafür im Nieders. spucken üblich. Die reguläre Form, speyete, gespeyet, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 188-189.
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