Springen

[239] Springen, verb. irreg. neutr. ich springe, du springst u.s.f. Imperf. ich sprang, (gemeinen Leben sprung); Conj. spränge, (gemeinen Leben sprünge); Mittelw. gesprungen; Imperat. springe oder spring. Es bekommt am häufigsten das Hülfswort seyn, zuweilen aber auch haben, und ist wie alle Zeitwörter ursprünglich eine Onomatopöie, welche den Laut derjenigen Handlungen, welche sie bezeichnet, genau nachahmet. Diese Handlungen sind besonders von doppelter Art.

1. Von trocknen, elastischen oder scharf gespannten Körpern sagt man, wenn sie schnell und mit einem gewissen eigenthümlichen Klange zerbrechen, daß sie springen; in welchem Falle es allemahl das Hülfswort seyn erfordert. Das Glas springt, ist gesprungen. Die Saiten springen, wenn sie zu straff gespannet werden. Die Schoten springen auf, wenn sie reif sind. Wo denn oft der Hauptbegriff des Klanges verschwindet und die bloße schnelle Öffnung eines trocknen oder elastischen Körpers übrig bleibt. Die Haut springt auf, ist aufgesprungen. Oft gesellet sich dazu der folgende Begriff der schnellen Veränderung des Ortes. Der Knopf springt von dem Kleide. S. auch Aufspringen, Zerspringen.

2. In sehr vielen Fällen ist springen der eigenthümliche Ausdruck einer sehr schnellen Bewegung mit Überschreitung oder doch unmerklicher Berührung der Zwischenräume, wo allem Ansehen nach gleichfalls eine Onomatopöie zu Grunde liegt.

(1) Von flüssigen Körpern sagt man, daß sie springen, wenn sie durch einen Druck gezwungen werden, schnell und in einem langen Strahle aus einer Öffnung hervor zu brechen, besonders wenn es aufwärts geschiehet. Es erfordert hier gleichfalls das Hülfswort seyn. Das Wasser springt aus der Röhre, springt zehn Schuh hoch. Einen Springbrunnen springen lassen. Das Blut sprang aus den Adern. Wenn die Zeitdauer dabey bestimmt wird, so erfordert es das Hülfswort haben. Die Fontäne hat den ganzen Tag gesprungen. In weiterer Bedeutung wird es oft für quellen von dem Wasser gebraucht, reichlich aus der Oberfläche der Erde hervor brechen, daher eine sichtbare Quelle über der Erde auch im gemeinen Leben ein Spring genannt wird. Das Wasser springt aus einem Felsen. Besonders in der Zusammensetzung entspringen, welches nach einer noch weitern Figur auch entstehen überhaupt bedeutet, welche Bedeutung auch in Ursprung statt findet. Schon im Isidor ist arspringan, entstehen.

(2) Von harten und elastischen leblosen Körpern, sich schnell und mit Überschreitung oder doch unmerklicher Berührung der Zwischenräume in die Ferne bewegen, besonders wenn es in einer krummen Linie geschiehet, gleichfalls mit dem Hülfsworte seyn. Die Erbsen springen aus den Schoten. Es sprang ein Stück von dem Steine in das Fenster. Vor großer Hitze ist die Farbe von dem Holze gesprungen. So auch abspringen, ausspringen u.s.f. Eine Mine springen lassen, sie anzünden. Einen Ducaten, zehn Thaler springen lassen, figürlich sie ausgeben.

(3) Von lebendigen Geschöpfen, den Ort schnell, mit Erhebung des Körpers und Überschreitung der Zwischenräume verändern. Es bekommt hier das Hülfswort seyn, so oft der Ort entweder ausdrücklich gemeldet oder doch darunter verstanden wird; außerdem aber das Hülfswort haben. Er ist vor Freuden in die Höhe gesprungen. Über den Graben, über einen Stein, zum Fenster hinunter, in das Wasser, an das Land, von dem Wagen, aus der Kutsche, aus dem Bette, auf den Tisch springen. Der Hund springt über den Stock. Heuschrecken und Flöhe springen. Gesprungen kommen, S. Kommen. Wenn aber nicht die geringste Beziehung auf den Ort, welchen[239] man durch Springen überschreitet, dabei ist, so stehet haben. Wir haben den ganzen Tag gesprungen und getanzet. Hingegen sagt man: das Kind ist den ganzen Tag herum gesprungen, weil hier die Bestimmung des Ortes in dem Nebenworte herum lieget. Daß es, wenn es zu einem Reciproco wird, haben bekommen müsse, verstehet sich ohnehin. Wir haben uns müde gesprungen. Figürliche Arten des Ausdruckes sind: Vor Freuden, vor Zorn, vor Ärgerniß aus der Haut springen wollen, einen sehr hohen Grad unruhiger Leidenschaften zu bezeichnen. Jemanden über die Zunge springen lassen, ihn verläumden, ihm vorsetzlich Böses nachreden, um ihm zu schaden. Jemanden über die Klinge springen lassen, ihn niederhauen.

Hingegen bedeutet dieses Wort figürlich. (a) Sich schnell aus einem verwahrten Orte entfernen, in einigen Fällen. Aus dem Kloster, aus dem Gefängnisse springen; in welcher Bedeutung doch das zusammen gesetzte entspringen üblicher ist. (b) Von dem männlichen Geschlechte größerer Thiere für befruchten, begatten, weil dasselbe mit einem Sprunge verbunden ist, wo es zugleich das Hülfswort haben bekommt. Den Hengst springen lassen. Der Ochse hat gesprungen. S. auch Bespringen.

So auch das Springen, Siehe auch Sprung.

Anm. Schon im Isidor kommt springan für quellen und bey dem Willeram für exultare vor. Im Angelsächsischen lautet es gleichfalls springan, im Niederdeutschen springen, im Englischen to spring, im Schwed. springa, im Span. brincar. Die Stammsylbe ist rin, und sowohl die Vorlaute s und p als auch der Endlaut g dienen zur nähern Bezeichnung des eigenthümlichen Lautes. Das Griech. βρυειν, quellen, ist freylich damit verwandt, druckt aber mehr den rauschenden als klingenden und springenden Laut des hervor quellenden Wassers aus. Sprießen ist von springen nur im Endlaute verschieden. Das Activum oder vielmehr Factitivum von unserm Neutro ist Sprengen, S. dasselbe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 239-240.
Lizenz:
Faksimiles:
239 | 240
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika