Statt, die

[304] Die Statt, plur. der doch nicht gebraucht wird, die Stätte, ein mit Stätte und Stelle gleich bedeutendes Wort, einen Ort, eine Stelle zu bezeichnen. Nirgends eine bleibende Statt haben, im Oberdeutschen. So auch in den Zusammensetzungen, die Bettstatt, Wohnstatt, Lagerstatt, Gerichtsstatt, Wahlstatt, Werkstatt, u.s.f. welche doch im Hochdeutschen mit Stätte am üblichsten sind, außer etwa in Hofstatt, Wahlstatt, und vielleicht noch einigen andern. Im Hochdeutschen, wo dieses Wort seinem ganzen Umfange nach unter die veralteten gehöret, gebraucht man es nur noch in einigen adverbischen Redensarten ohne Artikel und gemeiniglich im figürlichen Verstande. 1. Ohne Artikel. Statt haben, bewilliget, zugegeben, eingeräumt werden können. Das hat hier keine Statt, kann hier nicht eingeräumet, zugelassen, verstattet werden. Statt finden, in eben dieser Bedeutung, außer welcher es aber auch noch bedeutet, vorhanden oder möglich seyn. Die Demuth kann nicht ohne Gefühl der Liebe des Schöpfers, Statt finden, Gell. Theils mit dem Zeitworte lassen, etwas Statt finden lassen, es bewilligen. Lassen sie meine Bitte, meine Ermahnungen, u.s.f. Statt finden. Ein gut Wort findet eine gute Statt, gütliche Vorstellungen sind selten ohne Wirkung. So auch, jemandes Bitten, jemandes Ermahnungen, Vorstellungen Statt geben, sie mit Einfluß auf den Willen anhören. Jemandes Statt vertreten, im Oberd. dessen Stelle. Ehedem sagte man auch, der Zusage Statt thun, sie erfüllen. Ingleichen sehr häufig mit dem Vorworte an: an meiner Statt, an Kindes Statt, und mit Auslassung des Vorwortes, Statt meiner, u.s.f.

2. Mit dem alten Articulo postpositivo, in der dritten Endung und mit den Vorwörtern von und zu, in den Redensarten, von Statten gehen, und zu Statten kommen. Von Statten gehen, gefördert werden, einen guten Fortgang haben. Die Arbeit geht ihm gut von Statten, er arbeitet geschikt und hurtig. Das will mir nicht von Statten gehen, nicht gelingen. Zu Statten kommen, zu einer Absicht nützlich, beförderlich seyn. Das Geld wird mir heute gut zu Statten kommen. Das kam mir zu dieser Absicht vortrefflich zu Statten. Dann wird ihnen ihre Gelehrsamkeit recht gut zu Statten kommen. In Aichingers Sprachlehre heißt es, von Statten und zu Statten, hätten keine Analogie, und sollten also billig als Ein Wort geschrieben werden; allein die Analogie ist unleugbar. Nicht vom Flecke kommen, das gehet ihnen zu Gute, und tausend andere Ausdrücke[304] sind eben so adverbisch. Der Unterschied bestehet bloß darin, daß Statt außer solchen Redensarten im Hochdeutschen veraltet ist. Der Gegensatz zu Unstatten ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Er mag nit stets komen darvon

Sonnder mües ein mall mißratten

Unnd im khomen zu vnstatten,

Theuerd. Kap. 85.


Anm. Schon im Isidor, Ottfried und andern die Stat, bey dem Ulphilas Stad, Stads, im Angelsächs. Styd, Sted, im Engl. Stead, im Schwed. Stad. Es ist mit Stadt, vrbs, ursprünglich ein und eben dasselbe Wort, von welchem es erst in den spätern Zeiten durch die Bedeutung und Schreibart getrennet worden. Weil dieses Wort im Hochdeutschen nur in adverbischen Ausdrücken gebraucht wird, so wird es von vielen sehr unbillig mit einem kleinen st geschrieben, indem es durch diesen Gebrauch, welchen es mit so vielen andern Hauptwörtern gemein hat, nichts von seinen Gerechtsamen verlieret. S. auch Anstatt. Statten ist hier nicht der Plural, der in der dritten Endung Stätten heißen müßte, sondern die Endsylbe ist der wahre Articulus postpositivus, welchen so viele andere Hauptwörter annehmen, wenn sie ohne Artikel gebraucht werden: von Handen kommen, abhanden, vorhanden seyn, von Hand, zu jemandes Gunsten sprechen, im Oberdeutschen; besonders die auf ein e: auf Erden zu Gnaden kommen, und viele andere mehr, obgleich alle Sprachlehrer von diesem angehängten Artikel schweigen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 304-305.
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