Stein, der

[334] Der Stein, des -es, plur. die -e, Diminut. das Steinchen, Oberd. Steinlein, eine harte und feste mineralische Masse, welche sich unter dem Hammer nicht treiben lässet, und aus verhärteter Erde bestehen. Es ist in doppelter Gestalt üblich.

1. Von der Materie, als ein Abstractum und ohne Plural und Diminutivum, gemeiniglich auch ohne Artikel. So hart als Stein, Es ist Stein. Zu Stein werden. Ein großes Stück Stein. Es ist von Stein. In Stein verwandeln. So auch in einigen Zusammensetzungen. Marmorstein, Kalkstein, zwey Stücke Bernstein u.s.f. Im Hüttenbaue pflegt man die durch Schmelzung der Erze erhaltene Masse, so fern sie noch mit vieler steinartigen Materie und andern Unreinigkeiten vermischt ist, in vielen Fällen Stein zu nennen. S. Bleystein, Rohstein, Stahlstein, Kupferstein. Wo man es zwar oft mit dem Artikel gebraucht, aber doch ohne Plural, außer wenn mehrere Arten dieser Materie bezeichnet werden sollen.

2. Als ein Concretum von Theilen oder Stücken dieser Materie oder Masse.

(1) * Von sehr großen, zusammen hangenden, wo es ehedem für Fels sehr üblich war, schon bey dem Kero Steine. Sein Haus[334] auf einen Stein bauen, auf einen Felsen. In welcher Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist, ob sie gleich noch in manchen eigenthümlichen Nahmen der Felsen und felsigen Gebirge vorkommt. (2) Von kleinern, da es denn von allen Arten dieser Masse, so fern sie in kleinern Stücken vorhanden ist, gebraucht wird.

(a) Eigentlich. Ein Edelstein, Feldstein, Ziegelstein, Bruchstein, Feuerstein, Gränzstein, Kieselstein, Blasenstein, Gallenstein u.s.f. Stehet das Wort Stein allein, so verstehet man dadurch gemeiniglich die auf und unter der Oberfläche der Erde zerstreueten Stücke dieser Art, welche man sonst auch Feldsteine zu nennen pflegt. Jemanden mit einem Steine werfen. Das Feld ist voll Steine. Ein harter, weicher, durchsichtiger Stein. Figürliche Arten des Ausdruckes sind. Alle Steine aus dem Wege räumen, alle Hindernisse. Einen Stein auf dem Herzen haben, ein schweres Anliegen. Da ist mir ein rechter Stein von dem Herzen gefallen, mein Herz ist von einem schweren Anliegen, von einer großen Beängstigung befreyet worden. Ein Stein des Anstoßes, eine aus der Deutschen Bibel entlehnte Figur, eine Sache, welche bey andern Anstoß verursacht. Der Stein der Weisen, das Geheimniß Gold zu machen, vermuthlich, so fern das Verwandelungsmittel ehedem die Gestalt und Härte eines Steines hatte. Das möchte einen Stein erbarmen, das könnte auch die unempfindlichsten Herzen zum Mitleiden bewegen. Stein und Bein schwören, im gemeinen Leben, etwas mit vielen Eidschwüren betheuren, S. Schwören. Zuweilen verstehet man darunter Edelsteine oder Halbedelsteine. Ein Halsband von Steinen. Geschnittene Steine. Zuweilen auch Steine, welche sich in den thierischen und besonders in dem menschlichen Körper erzeugen, da es denn oft die dadurch verursachte Krankheit bezeichnet. Den Stein haben, den Blasenstein. Am Steine krank seyn. Jemanden den Stein schneiden. Am Steine sterben.

(b) Figürlich. ά) Ein aus Stein bereitetes Ding oder Werkzeug. Daher der Mühlstein, Leichenstein u.s.f. welche oft nur schlechthin Steine heißen. Ehedem wurde auch ein aus Steinen aufgeführtes Gebäude oder Schloß ein Stein genannt; welche jetzt veraltete Bedeutung noch in manchen eigenthümlichen Nahmen üblich ist; Königstein, Grimmenstein, Friedenstein u.s.f. Der Stein zu Baden, das dasige Schloß, Stein am Anger u.s.f. Die Körper, womit im Brete, ingleichen diejenigen, womit Schach gespielet wird, werden noch durchgängig Steine genannt, ohne Zweifel, weil man sich in der ersten Einfalt dazu bloßer Steine bediente. Einen guten Stein im Brete haben, einen wichtigen Gönner haben. In andern Fällen ist Stein so viel als ein Gewicht, auch so fern man sich ehedem dazu eigentlicher Steine von gewisser Schwere bediente. Der Zentnerstein, Pfundstein, Lothstein; im mittlern Lateine Petra. In engerer Bedeutung ist der Stein ein Gewicht von bestimmter Schwere, welches gemeiniglich den fünften Theil eines Zentners, oder 20 bis 22 Pfund beträgt, aber doch in verschiedenen Gegenden allerley Abweichungen hat. Ein Stein Kramergewicht hält in Wittenberg 22, Fleischergewicht aber nur 18 Pfund. Der kleine Stein hat zu Berlin 11, und der große 22 Pfund. Der große Stein hält in Danzig 34, und an andern Orten Preußens 33, der kleine zu Danzig 24 und an andern Orten 20 Pfund. In Hamburg und im Mecklenburgischen hat ein Stein Flachs 20, Federn und Wolle aber nur 10 Pfund. In Holland ist ein Stein (Steen) 8 Pfund. Ist ein Zahlwort dabey, so bleibt Stein, wie so viele andere ähnliche Wörter, im Plural unverändert; zehn Stein Wolle, nicht Steine. Bey den Papiermachern ist der Stein ein hölzernes Faß mit einer Welle und verschiedenen Messern, den Papierbrey zu der Pappe darin zu querlen; vielleicht auch so fern es ehedem ein steinernes Gefäß war, wenn es hier nicht[335] gar zu Stande gehört, ein Gefäß zu bezeichnen. β) Wegen der Ähnlichkeit, sowohl in der Gestalt, da die Hoden in den männlichen Zeugungsgliedern in vielen Gegenden Steine genannt werden. Noch mehr aber in der Härte, da die steinartige Kernschale in manchen Früchten häufig ein Stein heißt. Ein Kirschenstein, Pflaumenstein, Pfirschenstein, Aprikosenstein. S. Steinobst. Die in den Fischen, Krebsen und andern Thieren befindlichen steinartigen Verhärtungen sind wahre Steine und bestehen gemeiniglich aus einer alkalischen oder kalkartigen Erde, daher sie auch mit Recht Steine heißen.

Anm. Bey dem Ulphilas Stains, bey dem Kero, Ottfried u.s.f. Stein, im Nieders. Steen, im Engl. Stone, im Angels. Stan, im Schwed. Sten, im Griech. σιά, σιον. Im Böhmischen ist Stena, eine Wand, Mauer. Es stammet ohne Zweifel von stehen her, so fern dieses Zeitwort hart, fest seyn, bedeutet, so daß Stein eigentlich die Härte und Festigkeit dieser Körper ausdruckt. Im Schwed. ist stind, starr, stark. Wegen der Menge der Feldsteine, vielleicht auch wegen ihrer Härte ist Stein, in manchen Zusammensetzungen, ein Zeichen einer Intension; steinalt, steinhart, steinreich, sehr alt, hart, reich. Im Schwed. sagt man stenblind, stendöd (Holländ. steendood,) völlig blind, völlig todt. Ob die Endung des Superlativs -ste, Angels. -stan, auch hierher gehöret, betstan, der beste, wie Ihre vermuthet, stehet dahin.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 334-336.
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