Stiefel, der

[370] Der Stiefel, des -s, plur. ut nom. sing. oder die -n, Diminut. das Stiefelchen, ein Wort, welches, 1. überhaupt, einen hohlen, tiefen Raum, ein Gefäß, Behältniß, bedeutet zu haben scheinet, ob es gleich in dieser weitern Bedeutung, einige wenige Fälle ausgenommen, veraltet ist. An den Wasserkünsten. Spritzen, Luftpumpen u.s.f. wird noch diejenige Röhre, worin die Pumpstange mit dem Kolben auf und nieder gehet, so fern sie von der Steigröhre verschieden ist, der Stiefel oder die Stiefelröhre genannt. Die Figur müßte sehr seltsam seyn, wenn man bey Benennung einer solchen Röhre keine nähere Ähnlichkeit als mit einem Stiefel in der folgenden Bedeutung sollte haben finden können, daher dieses Wort ehedem eine jede weite Röhre bedeutet zu haben scheinet. Das mittlere Latein. Estiva, und unser Stauf, Stübchen, und ohne Zischlaut auch tief, gehören unstreitig zur Verwandtschaft. Vermuthlich muß auch die in den niedrigen Sprecharten übliche R.A. seinen guten Stiefel trinken, d.i. wacker trinken können, aus dieser Bedeutung erkläret werden, so daß Stiefel, so wie noch das Oberd. Stauf, ehedem die Benennung eines weiten oder großen Trinkgeschirres gewesen; ob man gleich diese R.A. auch auf andere vorzügliche Fertigkeiten auszudehnen pflegt. Denn so sagt man wohl, er kann seinen guten Stiefel laufen, er predigt seinen guten Stiefel weg, er arbeitet seinen guten Stiefel u.s.f. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung sind die Stiefel Bekleidungen der Füße, wo Schuhe und Strümpfe nur Ein Stück ausmachen. Filzstiefel. Besonders wenn sie von Leder sind. Ein paar Stiefel. Die Stiefel anziehen. Reitstiefel, Halbstiefel, steife Stiefel u.s.f. Pelzstiefel, wenn sie mit Pelz gefüttert sind. Spanische Stiefel, ein Werkzeug zur Tortur, welches die Waden zusammenpresset.

Anm. In der letzten Bedeutung im Niedersächs. Stevel, im Schwed. Stöfvel, im Ital. Stivale, im Franz. ehedem Stivelé, im mittlern Lateine Stivale, Estivale, Aestivale. Die letzten Schreibarten haben viele verleitet, es von aestivum abzuleiten, als wenn die Stiefel eine Tracht gewesen, welche man nur im Sommer angeleget habe. Allein, sie haben nicht bedacht, daß die Lateinische[370] und die mit derselben verwandten Mundarten vielen mit einem Mitlaut anfangenden Wörtern gern ein müßiges a oder e vorzusetzen pflegen, wovon tausend Beyspiele angeführet werden könnten. Frisch leitet es von steif ab, als wenn es ursprünglich eine steife Bekleidung, ein steifes Ding bedeutet hätte, Wachter aber vermittelst des vorgesetzten Zischlautes von dem Lat. Tibiale. Allein es ist wohl gewiß genug, daß es ursprünglich eine allgemeine Benennung eines tiefen weiten hohlen Raumes gewesen, zumahl da in andern Benennungen der Stiefel eben derselbe Begriff herrschet. Dahin das Schwed. Bota, Franz. Botte, Span. Bota, Engl. Boote, im mittlern Lat. Bota, ein Stiefel, welches unstreitig zu unserm Bottich, Butte gehöret. Eben dieses gilt auch von Hose in seiner alten Bedeutung, S. dasselbe. Der Regel nach muß dieses Wort, so wie andere männliche auf -el, im Plural die Stiefel haben. Allein im Hochdeutschen sagt man gemeiniglich die Stiefeln.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 370-371.
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