Streuen

[445] Streuen, verb. reg. act. mehrere bey einander befindliche trockne Körper mit einem gelinden Geräusche reichlich auf eine Oberfläche aus einander fallen lassen, wo es eine unmittelbare Nachahmung des mit dieser Handlung verbundenen gelinden Geräusches ist, wodurch es sich von den ähnlichen sprengen, sprühen, stäuben, spritzen, schütten u.s.f. unterscheidet. 1. Eigentlich. Stroh auf den Mist streuen. Blumen auf den Weg streuen. Asche auf sein Haupt, Sand in das Zimmer, Zucker, Salz, Pfeffer auf die Speisen streuen. Geld unter das Volk streuen. Jupiter, der Hirtenstäb' und Kronen aus Einer Urne streut, Raml. Elliptisch bedeutet dieses Zeitwort zuweilen theils säen, eigentlich den Samen streuen: sammeln, da man nicht gestreuet hat, Matth. 25, 24, theils dem Viehe streuen, ihm eine Streu machen. In noch einem andern Verstande sagt man im gemeinen Leben, das Getreide streuet gut, wenn es vieles Stroh gibt. 2. Figürlich, verbreiten, reichlich vertheilen, in der dichterischen Schreibart. Der Greis von Tejos, auf dessen heitre Stirn das Alter sparsame Runzeln gestreuet, Clod. Lodernde Flammen angebrannter dürrer Reiser streuten angenehme Wärme in der Hütte umher, Geßn. Aber du blaue Viole, du Bild des Weisen, du stehst bescheiden niedrig im Grase und streuest Gerüche umher, eben ders. O, so gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe denn süße Früchte getragen, und erquickende Schatten über den Nothleidenden gestreut! eben ders. So auch das Streuen.

Anm. Schon bey dem Ulphilas strauan, bey dem Ottfried, im Tatian u.s.f. streuuan, streuan, im Angels. intensive streawigan,[445] im Engl. to strew, (sprich stroh,) im Schwed. strö, bey den ältern Lat. strao, wie aus straui, stratum erhellet bey den ältern Griechen σροω, wovon das Intensivum σρωννυμι. Es ist eine unmittelbare Onomatopöie, welche das mit der Handlung verbundene Geräusch ausdruckt, welche auch in Stroh zum Grunde liegt, nicht so fern es oft zum Streuen gebraucht wird, sondern so fern es in seiner Behandlung eben das Geräusch macht, welches streuen nachahmet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 445-446.
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