Stricken

[449] Stricken, verb. regul. act. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Zunächst von Strick, und zwar in dessen Bedeutung eines Fall- oder Fangestrickes, in einen solchen Strick verwickeln, damit fangen; in welchem Verstande es doch nur in den Zusammensetzungen verstricken, bestricken und abstricken üblich ist. 2. In mehr eigentlichem Verstande ist stricken, Fäden vermittelst besonderer Stricknadeln so in einander schlingen, daß daraus ein zusammen hangendes Gewirke entstehe. Jede einzelne Umschlingung heißt eine Masche. Netze, Garne stricken. Strümpfe, Westen, Mützen, Handschuhe stricken. Gestrickte Hosen. Ein gestrickter Beutel. Das Stricken der Netze ist von dem Stricken der Kleidungsstücke noch unterschieden, scheinet aber die älteste Art zu seyn, weil sie die einfachste ist. Für stricken gebrauchen die Niederdeutschen knütten, eigentlich knüpfen, Dän. knytte, Engl. to knit, Angels. cnittan, die Schweizer aber ließmen, daher die Ließnadel, die Stricknadel, welches zu Litze oder vielleicht auch zu ligare zu gehören scheinet. Übrigens gebraucht man das Zeitwort stricken nur, so fern diese Arbeit aus freyer Hand geschiehet; geschiehet sie aber auf einem besonders dazu erfundenen Stuhle, so heißt sie wirken. So auch das Stricken.

Anm. Dieses Zeitwort hat sich in unsern ältesten Schriften noch nicht gefunden: ob es gleich um deswillen nicht weniger alt zu seyn[449] scheinet. Das ck in der Mitte deutet auf ein Intensivum, und es scheinet, daß drehen das Stammwort sey, woraus mit dem vorgesetzten Zischlaute und der mittlern Verstärkung stricken gebildet worden. Dem Franz. tricoter, und Ital. tricaro, triccare, stricken, fehlt dieser Zischlaut, so wie dem Lat. Trica, verschlungene oder verworrene Fäden. Das Stricken ist doch wirklich eine Art der Verschlingung oder des Drehens im weitesten Verstande. In Liefland wird stricken für weben gebraucht, welches gleichfalls in einer künstlichen Verschlingung der Fäden bestehet. So auch Strick, welches mit diesem Zeitworte aus Einer Quelle herstammet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 449-450.
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