Theuer

[577] Theuer, theurer, (für theuerer,) theuerste, adj. & adv. ein Wort, welches jetzt nur noch in einigen figürlichen Bedeutungen übrig ist, ehedem aber deren noch mehrere hatte. 1. * Groß; welches vermuthlich eine der ersten Bedeutungen war, in welcher es aber längst veraltet ist. In einigen Schwedischen Mundarten ist dert noch jetzt groß. Das alte tor, tur, stor, groß, und vielleicht auch Thier, sind genau damit verwandt. 2. * Stark, eine der ersten Figuren der vorigen Bedeutung. Auch diese Bedeutung ist veraltet, indessen war es ehedem, da die Tapferkeit hauptsächlich in der Stärke des Leibes bestand, für tapfer sehr üblich, in welcher Bedeutung es noch in den Oberdeutschen Schriften des 16ten Jahrhundertes häufig ist.


Der Held thet als ein tewrer Man,

Er schry die schifleut tapfer an,

Theuerd. Kap. 72.


[577] Darvmb sol ein yeder tewrer Man

Sich Rheiner abenthewr unnderstan

Aus Hochfart und eyteler eer,

Theuerd. Kap. 115.


Warlich der mögt werden gezelt

Für tewrlich, freydig und mannhaft,

Theuerd. Kap. 16.


Ein Held frey

Der frumb und teurlich sey,

Theuerd. Kap. 16


Und so in andern Stellen mehr. Unser stark und dürfen sind allem Ansehen nach nahe damit verwandt. 3. In einem hohen Grade werth und lieb; ohne Zweifel eine Figur der vorigen Bedeutung. Das theure Wort Gottes. Ein theurer Mann. Mein theuerster Freund! Sein Leben nicht theuer achten, Apost. 20, 24; nicht werth. Sein Ruhm ist mir theuer und werth. 4. Einen hohen Preis habend; im Gegensatze des wohlfeil. Eine theure Waare. Die Waare ist sehr theuer. Das Getreide wird theuer. Ein theurer Kauf. Das ist mir zu theuer. Seine Haut theuer verkaufen; sich tapfer wehren. Hier ist guter Rath theuer, welches aber auch zur vorigen Bedeutung gehören kann. Das wird dir theuer zu stehen kommen, auch figürlich, du wirst dafür viel Unangenehmes empfinden müssen. Es ist hier theuer zehren, wenn die Lebensmittel theuer sind. Ingleichen figürlich. Die theure Zeit, da die Lebensmittel und besonders das Getreide sehr selten und in einem ungewöhnlich hohen Preise ist, S. Theurung. Ein theurer Mann, der seine Waaren gern theuer verkauft. Sie sind mir zu theuer. Da es dann im weitesten Verstande auch von dem Preise überhaupt gebraucht wird. Wie theuer ist das? was kostet es? oder was soll es kosten? 5. Feyerlich, bey allem was theuer, d.i. kostbar und werth ist, in welcher Bedeutung es besonders von Eidschwüren, Versicherungen und Versprechungen üblich ist. Theuer schwören, Ezech. 21, 23. Theure Verheißungen, 2 Petr. 1, 4. Einen theuren Eid schwören. Am häufigsten gebraucht man es im Hochdeutschen als ein Nebenwort, und in Verbindung mit dem Worte hoch. Etwas hoch und theuer versichern. Daher das Zeitwort betheuern.

Anm. Bey dem Kero tiuru, bey dem Ottfried diur, diurlih, bey den Oberschwaben noch jetzt diur, tuir, im Nieders. dür, im Dän. Schwed. und Ißländ. dyr, im Angels. deor, diore, im Engl. dear, welche alle theils kostbar, theils aber auch im hohen Grade werth und lieb bedeuten. Es scheinet, daß der Begriff der Größe und der Stärke einer der ersten und ursprünglichsten gewesen. Zu der Zeit, da die Sprachen ausgebildet wurden, war körperliche Stärke das schätzbarste und edelste, was man kannte, und da wäre denn der Übergang von dem Begriffe der Größe und Stärke auf den Begriff der Hochschätzung und des Werthes sehr leicht begreiflich. Es müßte denn seyn, daß in den heutigen Bedeutungen dieses Wortes mehrere ähnliche anfänglich verschiedene Wörter zusammen geflossen wären. Das Schwed. dyr, wird gleichfalls in unserer 5ten Bedeutung von Eidschwüren und Versicherungen gebraucht. Eben daselbst ist Dyrd, Majestät, Herrlichkeit. Wenn dieses Wort am Ende wächset, und auf dem r ein Selbstlaut folgt, so wird um des Wohlklanges willen, bald das vorher gehende, bald aber auch das nachfolgende, wenn aber ein Mitlaut folgt, allemahl das folgende e verschlungen. Theurer Freund, für theuerer. Betheuern, für betheuren. Die theuersten Waaren, für theueresten oder theuresten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 577-578.
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