Trauen (2)

[651] 2. Trauen, verb. regul. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1. Glauben, jemandes Worte für wahr halten, nur der dritten Endung der Person, eine noch gangbare Bedeutung, welche aber in den meisten Fällen mit der folgenden zusammen schmilzt. Weder Gott noch Menschen trauen, glauben. Trauen sie meinen Worten. Wer leicht traut (glaubt), wird leicht betrogen. 2. In engerer und theils figürlicher Bedeutung. (1) Jemandes Versprechungen und Versicherungen für wahr halten, die Leistung eines Guten mit Zuversicht von ihm erwarten. Auch mit der dritten Endung. Es ist niemanden zu trauen. Sprichw. trau, schau, wem. Ich traue ihm nicht recht. Man kann ihm schon trauen. Es ist nicht wohl zu trauen. Trauen sie doch der Vorsehung, Gell. Die Wortfügung mit auf kommt jetzt im Hochdeutschen seltener vor. Ihre Götter, darauf sie traueten, 5 Mos. 32, 37. Auf Gott trauen, Ps. 18, 3. Wer redlich ist und auf die Götter traut, der wandelt nicht auf triegendem Sumpf, Geßn. (2) In noch weiterm Verstande auch von leblosen Dingen, sich verlassen. Der Fuchs trauet dem Eise nicht. Es ist dem Wetter nicht zu trauen. Die Wortfügung mit auf ist hier noch seltener. Traue nicht auf das Vermögen, Sir. 16, 2. (3) Als ein Reciprocum, sich trauen, Fähigkeit und Kräfte, zuweilen auch Recht zu etwas zu haben glauben. Ich traue mir nicht, dieses zu unternehmen. Er trauete sich nicht, die Augen aufzuschlagen. Sich nicht trauen zu verantworten, Weish. 17, 12. Dorft ir euch trauen diesem Ritter anzufygen? Theuerd. Kap. 77. Aus den vorigen Bedeutungen erhellet schon, daß dieses einfache Zeitwort auch hier die dritte Endung haben müsse; daher es irrig ist, wenn einige die vierte gebrauchen; ich traue mich nicht, ihn anzureden. Indessen ist diese Bedeutung nur noch im gemeinen Leben gangbar, indem in anständigern Sprecharten getrauen üblicher ist. S. dasselbe. So auch das Trauen.

Anm. Schon bey dem Ulphilas thravahn, bey dem Notker thruunen, im Nieders. trouen, im Angels. treowian, im Engl. to trow, im Schwed. tro, im Ißländ. trua. Wachter leitete dieses Wort sehr unschicklich von θάρρειν her, welches eher mit dürfen und dem veralteten dürften, sich unterstehen, verwandt seyn könnte. Es scheinet, daß die heutige Bedeutung dieses Zeitwortes eine Figur der Ruhe ist, daher es vermittelst des intensiven Vorlautes t von diesem Worte gebildet seyn kann. Auch Trost ist allem Ansehen nach damit verwandt. Siehe dasselbe, noch mehr aber Treue.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 651.
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