Trocken

[686] Trocken, -er, -ste, adj. & adv. welches überhaupt dem feucht und naß entgegen stehet, 1. Eigentlich, auf der Oberfläche der Feuchtigkeit beraubt, nicht naß. Trockene Hände haben. Die Erde ist sehr trocken. Das Geschriebene trocken werden lassen. Hinter den Ohren noch nicht trocken seyn, figürlich, im gemeinen Leben, noch ein Kind, noch nicht mannbar seyn. Der Weg ist sehr trocken. Trockene Farben, welche ohne einen flüssigen Körper gebraucht werden. Trockne Witterung, da es nicht regnet oder nebelig ist, im Gegensatze der feuchten oder nassen. Eine trockne Luft. Ein trockner Sommer. Trocken sitzen, im Trockenen sitzen, vor der Nässe bedeckt sitzen. Ein trockner Graben, der kein Wasser hat. Ingleichen, in einigen engern Bedeutungen. Mit trocknen Augen, ohne Thränen. Trockenes Brod essen, ohne Butter. Eine trockne Mahlzeit, wobey wenig getrunken wird. Eine trockne Messe, in der Römischen Kirche, welche nur der Priester hält, wobey nicht communiciret wird. Ein trockener Husten, der mit keinem Auswurfe verbunden ist. Trocken beziehet sich zunächst auf die äußere Fläche, dürre aber, welches ohnehin einen sehr hohen Grad der Beraubung der Feuchtigkeit bezeichnet, auf die innere Beschaffenheit. Trockne Luft, trockne Witterung, gehören mit zu den Ausnahmen. 2. Figürlich. (1) Trocknes Vieh, in der Landwirthschaft, welches keine Milch gibt, geltes, güstes Vieh, im Gegensatze des Melkviehes. Eine Kuh steht trocken, wenn sie keine Milch gibt. (2) In vielen Fällen ist trocken ein Fehler des gesellschaftlichen Umganges, der dem munter, aufgeweckt, angenehm, entgegen stehet. Sehr trocken in der Gesellschaft seyn, nicht unterhaltend. Ein trockner Mensch. Eine trockne und langweilige Erzählung. Wie oft erweckt man uns in den ersten Jahren durch trockne und langweilige Erklärungen einer Glaubenslehre, einen Ekel an der Religion! Gell. Oft ist trocken, so viel, wie ernsthaft, doch in verschiedenen Beziehungen. (1) Jemanden trocken die Wahrheit sagen, ohne gefällige Einkleidung, gerade zu. Ferner, (2) gebraucht man trocken bey Scherzen, wenn jemand bey einem Scherze eine ernsthafte Mine oder Stellung annimmt. Bey einem Spaße sehr trocken aussehen. Ein trockener Scherz, der mit einer ernsthaften Mine vorgebracht wird. In einer andern Einschränkung ist trocken der freundschaftlichen Gefälligkeit beraubt. Jemanden sehr trocken begegnen, kalt und ohne Freundschaft. Ein trockner Empfang. Ein trocknes Compliment. Bey den Mahlern ist trocken, Härte in dem Übergange von dem Lichte zu dem Schatten habend, wenn Lichter und Schatten zu nahe neben einander stehen, oder ohne Halbschatten verbunden sind. Trocken mahlen. Eine trockne Manier. In der Bildhauerkunst ist ein Werk trocken, wenn ihm das Weiche, Zärtliche, Markige fehlt. Es scheint, daß diese ganze Figur von trocknen Speisen hergenommen ist, die einer schmackhaften Brühe beraubt sind. Dürr wird in einigen ähnlichen figürlichen Fällen gebraucht.

Anm. Bey dem Notker truchen, und im Oberdeutschen noch jetzt trucken, truchen. Es ist der Form nach ein Intensivum von dem noch im Niederdeutschen üblichen dröge, im gemeinen Leben der Obersachsen treuge, trocken, womit auch das Angels. drugoth, (mit dem Endlaute -et, und das Engl. drought, und noch einfacher dry, verwandt sind. Es scheint von einem veralteten Zeitworte drogen, drögen, oder ohne Vorlaut, regen, abzustammen,[686] welches reiben, wischen, bedeutet hat, und mit der nicht ungewöhnlichen Versetzung des r noch in dem Latein. tergere, übrig ist. Im Griech. ist τρυγειν, gleichfalls trocknen. Das Lat. siccus stammt von siegen in versiegen. S. Trocknen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 686-687.
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