Tüchtig

[716] Tüchtig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Die zu einer Absicht erforderliche Stärke und körperliche Festigkeit habend; eine in der gewöhnlichen Sprache des täglichen Umganges noch völlig gangbare Bedeutung. Ein tüchtiger Baum, der die verlangte Größe und Stärke hat. Ein tüchtiger Mensch, der die zu einer Absicht erforderliche Größe und Stärke hat. Ein tüchtiges Messer, ein großes und starkes. Daher es denn im gemeinen Leben noch häufig für groß und stark überhaupt gebraucht wird. Ein tüchtiger Mensch, von vorzüglicher Größe und Stärke. Ein tüchtiges Stück Brot, ein großes und dickes. Nach einer noch weitern Figur wird das Adverbium im gemeinen Leben häufig für sehr gebraucht, eine Intension zu bezeichnen. Jemanden tüchtig durchprügeln. Tüchtig arbeiten, essen, trinken können, brav, sehr viel. 2. In weiterer Bedeutung, auch andere erforderlichen Eigenschaften zu einer Sache im vorzüglichen Grade habend, so daß

tüchtig einen höhern Grad bezeichnet, als tauglich, von welchem es ein Intensivum ist. Gott gibt ihr zu Zeiten einen tüchtigen Regenten, Sir. 10, 4. einen geschickten. Tüchtige Mittel zu etwas anwenden, taugliche. Nichts tüchtiges (taugliches, zur Sache dienliches,) vorbringen. Es ist in dieser Bedeutung als ein Beywort nur noch im gemeinen Leben üblich; von Personen gebraucht man lieber geschickt, vermuthlich, um die Zweydeutigkeit mit der ersten Bedeutung der körperlichen Stärke zu vermeiden. Als ein Nebenwort hingegen wird es auch hier häufig ohne Anstoß gebraucht. Tüchtig zu etwas seyn, im Gegensatze des untüchtig, von allen zu einer Sache erforderlichen Eigenschaften. Nicht, daß wir tüchtig sind, Rath zu finden, 2 Cor. 3, 5. Gott hat uns tüchtig gemacht, u.s.f. V. 6.

Anm. Schon bey dem Ottfried dohti, der es aber auch für gut gebraucht, im Nieders. dugtig, im Engl. doughty, im Schwed. dugtig. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe -ig von dem alten Tucht gebildet, welches eigentlich körperliche Stärke, und hernach auch Tugend, dienliche Beschaffenheit, bedeutete. Dieses Tucht ist ein Intensivum sowohl von digen, dihen, deihen, (S. Gedeihen,) körperliche Größe erlangen, wovon auch dicht abstammet, als auch von taugen, die nöthige Größe und Stärke zu etwas haben; und daher kommt es, daß tüchtig im eigentlichen Verstande noch den Begriff der körperlichen Größe und Stärke hat, im zweyten aber auch mehr saget, als tauglich. Einfachere Formen dieses Wortes sind die Nieders. degen, tüchtig, und deger, sehr. S. auch Tugend.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 716.
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