Überschlagen

[770] Überschlagen, verb. irreg. S. Schlagen. 1. Ǘberschlagen, ich schlage über, übergeschlagen, über zu schlagen.

1) Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. (a) Sich mit dem obern Theile schnell nach einer Seite neigen. Die Wage schlägt über, wenn sich die Zunge nach einer Seite neigt. (b) Mit dem obern Theile plötzlich hinten über fallen. Ein stehendes Stück Bauholz schlägt über, wenn es mit dem obern Theile fällt. Das Kind schlägt über, wenn es der Amme rücklings von dem Arme[770] fällt. Das Pferd ist mit dem Reiter übergeschlagen, wenn es sich bäumt und hinten über fällt. Sobald es hier aber ein Reciprocum wird, sich überschlágen, gehöret es zu dem folgenden Zeitworte.

2) Als ein Activum, doch so, daß dasjenige, worauf sich das über eigentlich beziehet, verschwiegen werde. (a) Mit einem Theile des Endes oder Äußersten den andern Theil bedecken. Das Betttuch überschlagen. Die Ärmel am Kleide überschlagen, auch aufschlagen. (b) Über etwas schlagen, d.i. legen. Warmen Wein überschlagen, über ein krankes Glied.

2. Überschlágen, ich überschlage, überschlagen, zu überschlagen.

1) Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. (a) Mit Schimmel überschlagen, überzogen werden, wo doch beschlagen üblicher ist. Am häufigsten gebraucht man es, (b) von kalten Körpern, besonders flüssiger Art, wenn sie die empfindliche Kälte verlieren. das kalte Wasser ein wenig überschlagen lassen, ehe man es trinkt. Der Wein überschlägt schon, ist schon überschlagen, wenn er die empfindliche Kälte verlieret. Überschlagenes Bier. In vielen Gegenden ist dafür auch verschlagen üblich, Nieders. verslaen.

2) Als ein Activum, wo es nach Maßgebung des einfachen Zeitwortes wieder verschiedene Bedeutungen hat. (a) Zu sehr, zu viel schlagen. Einen Hund überschlagen, bey den Jägern, ihn durch allzu viele Schläge scheu und furchtsam machen, wofür auch verschlagen üblich ist. Ein überschlagener Hund. (b) Sich überschlagen, rücklings über fallen. Das Pferd hat sich überschlagen, überschlug sich mit dem Reiter. S. das vorige überschlagen. (c) Im Nachschlagen übergehen. Eine Stelle in einem Buche überschlagen, sowohl sie im Nachschlagen oder Aufsuchen wider Willen übersehen, als auch sie mit Fleiß vorbey lassen. Ein Paar Blätter überschlagen. Das wollen wir überschlagen, nicht mit lesen. Überblättern kommt in ähnlichem Verstande vor. (d) Die Größe, Schwere, Anzahl u.s.f. ungefähr bestimmen. Ein Feld mit der Meßkette überschlagen, es nur ungefähr ausmessen. Etwas auf der Wageschale überschlagen, es ungefähr wägen. Ferner ungefähr berechnen. Die Kosten zu einer Unternehmung überschlagen. Wer ist unter euch, der einen Thurm bauen will, und sitzt nicht zuvor, und überschlägt die Kost, (die Kosten,) ob ers habe hinaus zu führen? Luc. 14, 28. Den Gewinn überschlagen. S. Überschlag. In noch weiterer Bedeutung für erwägen, überlegen, bedenken, ist es im Hochdeutschen veraltet.


Da liegt die arme Seel in Pein und überschlägt

Ganz traurig, daß sie schon ihr Urtheil mit sich trägt,

Opitz.


Das Hauptwort, die Überschlagung, ist nur in einigen Fällen des Activi üblich, besonders, wenn der Ton auf dem Zeitworte liegt; in andern gebraucht man das Überschlagen, und in einem der Überschlag.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 770-771.
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