Übertreffen

[780] Übertréffen, verb. irreg. (S. Treffen,) ich übertreffe, übertraf, übertroffen, zu übertreffen, welches nur in figürlichem Verstande gebraucht wird. 1. Jemanden übertreffen, ihm in einem Stücke überlegen seyn, ein Prädicat in einem höhern Grade besitzen, als derselbe, welches Prädicat, wenn es nicht so deutlich ist, daß es keiner Anführung bedarf, das Vorwort an, und wenn es der Infinitiv eines Zeitwortes ist, in bekommt. Die Peterskirche zu Rom übertrifft die zu London an Größe sehr weit. Rom übertrifft alle andere Städte in der Welt, an Alterthum, oder an Ruhm u.s.f. Daniel aber übertraf die Fürsten alle, nähmlich an Weisheit und Verstand, Dan. 6, 3. Italien übertrifft die nördlichen Länder an Fruchtbarkeit. Jemanden an Ansehen, an Ehre, an Reichthum, an Lastern u.s.f. übertreffen; ihn im Singen, in Tanzen, im Scherzen übertreffen. 2. In engerer Bedeutung, für besser seyn, vorzuziehen seyn. Ein tugendhaft Weib übertrifft sie alle, Sprichw. 31, 29. Die Weisheit übertrifft die Thorheit, Pred. 2, 13. Doch diese Bedeutung ist in der edlern Schreibart der Hochdeutschen unbekannt.

Anm. Die biblischen Wortfügungen mit etwas übertreffen, 3 Macc. 5, 16, und nach etwas übertreffen, 1 Cor. 15, 41, für an, sind völlig ungewöhnlich. Das Hauptwort die Übertreffung und das Beywort übertrefflich für vortrefflich, sind gleichfalls nicht üblich. Dieses Zeitwort lautet schon bey dem Willeram [780] ubertreffen, und im Schwed. öfvertreffa. Unter den vielen Bedeutungen des einfachen Zeitwortes treffen, scheinet diejenige hierher zu gehören, da es ehedem gehen, traben, bedeutete, so daß übertreffen, eigentlich vor gehen, es im Gehen einem zuvor thun, bedeutet, zumahl, da die Schweden für übertreffen auch öfvergå sagen. Die Lateinischen anteire, antestare, praestare, antevenire, und das Franz. surpasser, gründen sich auf ähnliche Figuren. Sie auch Vortrefflich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 780-781.
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