Überziehen

[786] Überziehen, verb. irregul. S. Ziehen. 1. Ǘberziehen, ich ziehe über, übergezogen, über zu ziehen. (1) Von ziehen, trahere, ist überziehen, über etwas ziehen, mit dessen Verschweigung, wofür doch in manchen Fällen herüber und darüber ziehen richtiger sind. (2) Von ziehen, reisen, wandern, als ein Neutrum mit seyn. (a) Über einen Ort ziehen, mit dessen Verschweigung. In diesem Verstande sagt man, der Hirsch ist übergezogen, oder ist hier übergezogen, wenn er an diesem Orte über einen Berg gezogen ist. (b) Vorbey ziehen. Die Töchter Moab werden vor Arnon überziehen, Es. 16, 2; wo doch das Zeitwort nicht überziehen, sondern getrennt vorüber ziehen lautet.

2. Überzḯehen, ich überziehe, überzogen, zu überziehen. (1) Von ziehen, trahere, ist überziehen, auf der Oberfläche ziehend mit etwas bedecken, welches denn wiederum auf mancherley Art, sowohl im eigentlichen als figürlichen Verstande, geschehen kann. Man überziehet ein Bett, wenn man einen Überzug über dasselbe ziehet. Ein Kleidungsstück neu überziehen, neues Oberzeug auf dasselbe setzen. Der Himmel überziehet sich mit Wolken. Der Himmel ist ganz überzogen. Mit Gold, mit Silber überziehen, wo die Decke von Gold oder Silber stärker ist, als bey dem bloßen Vergolden oder Versilbern. Mit Zucker überziehen. Überzogene Mandeln. Eine Wand mit Gyps, die Degenscheide mit Leder überziehen. Aber mit Edelsteinen überziehen, wie 2 Chron. 3, 6, für besetzen, ist ganz wider den Sprachgebrauch. S. Überzug. (2) Von ziehen, reisen, wandern. (a) Auf diese Art bedecken, besonders mit ziehenden Truppen bedecken. In diesem Verstande überziehet man ein Land mit Truppen, mit einem Kriegsheere, wenn man mit einem feindlichen Kriegsheere in dasselbe einrücket. Ein Land mit Krieg überziehen, dasselbe bekriegen. Niemand durfte Israel überziehen, Judith 16, 30. (b) In dem Jagdwesen überziehet man eine Fährte, wenn man aus Mangel der Aufmerksamkeit über dieselbe weg ziehet, ohne sie gewahr zu werden; welches auch übergehen und überschießen genannt wird.

Statt des Hauptwortes die Überzḯehung ist in den meisten Fällen das Überziehen üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 786.
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