Unterscheiden

[921] Unterscheḯden, verb. irregul. act. & neutr. S. Scheiden, welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert; ich unterscheide, unterschieden, zu unterscheiden, zwey oder mehrere Dinge durch ein drittes absondern oder scheiden. Im eigentlichen Verstande, als ein dazwischen kommender dritter Körper zwey oder mehr Dinge oder Räume von einander absondern. Die Mauer unterscheidet beyde Häuser. Die Gränze unterscheidet beyde Felder. In dieser eigentlichen Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man dafür entweder das einfache scheiden, oder absondern, trennen u.s.f. gebraucht. Doch hat das Hauptwort der Unterscheid diese eigentliche Bedeutung noch erhalten, welche auch noch in dem zusammen gesetzten Unterscheidungszeichen Statt findet.

2. Figürlich, ein Ding durch Ertheilung anderer Eigenschaften und Bestimmungen von andern merklich machen, und diese anderen Eigenschaften und Bestimmungen gewahr werden.

(1) Ein Ding durch Eintheilung anderer Eigenschaften und Bestimmungen, als ein eigenes für sich bestehendes Ding, bezeichnen und merklich machen; als ein Activum. Die Weisheit des Herren hat die Tage so unterschieden. Sir. 33, 8. Gleich wie alle Menschen aus der Erde geschaffen sind, und doch der Herr sie unterscheiden hat, – und hat mancherley Weise unter ihnen geordnet, V. 11. Der Mond muß die Monathe unterscheiden, Kap. 43, 6. Auch in dieser Bedeutung fängt es an zu veralten, vermuthlich um die Verwechselung mit der folgenden[921] gangbaren Bedeutung zu vermeiden. Häufiger gebraucht man es von denjenigen Eigenschaften und Umständen, welche ein Ding als ein Wesen anderer Art bezeichnen. Beyde Ducaten sind durch nichts als durch den schwächern Glanz des einen unterschieden. Die Farbe unterscheidet beyde Körper hinlänglich. Auch das Mittelwort unterschieden ist, so wie verschieden, als ein Bey- und Nebenwort noch völlig in derselben im Gange. Zwey Dinge sind unterschieden, wenn das eine etwas hat, welches das andere nicht hat. Dieser Ducaten ist von jenem gar nicht unterschieden, ist in nichts von ihm unterschieden, wenn alle sichtbare Umstände an beyden einerley sind. Da es denn, so wie verschieden, oft auch in weiterer Bedeutung für mehr gebraucht wird. Unterschiedene Ursachen haben mich gehindert, mehrere, verschiedene. Es kamen unterschiedene Personen, mehrere, einige. Obgleich die edlere Schreibart diese weitere Bedeutung gern vermeidet. S. auch Unterschiedlich.

(2) In engerm Verstande ist unterscheiden, zwey oder mehrere Dinge, Umstände, Eigenschaften u.s.f. als Dinge anderer Art erkennen, und dadurch von einander absondern, einen Unterschied unter ihnen gewahr werden, wo es nur als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben üblich ist. Man kann zwey Personen nicht von einander unterscheiden, wenn man an keiner etwas gewahr wird, was an der andern nicht anzutreffen wäre. Man unterscheidet die Dinge durch klare Begriffe, welche man von ihnen hat. In der Dunkelheit kann man nichts unterscheiden, nichts als für sich bestehend erkennen. Ein einfacher Gegenstand, worin sich gar nichts unterscheiden lässet. Durch der vermittelst der Farbe unterscheidet man ein schwarzes Schaf von einem weißen. In engerer Bedeutung unterscheidet man ein Ding von dem andern, wenn man es nicht nur als verschieden von dem andern erkennet, sondern auch als für sich bestehend, von dem andern abgesondert betrachtet. Man muß in dem Könige den Menschen von dem Monarchen, in dem Hausvater den Ehemann von dem Vater unterscheiden. Nach einer andern Einschränkung bedeutet es auch den Unterschied unter mehrern Dingen in Rücksicht auf ihre Güte, ingleichen in Rücksicht auf sein Verhalten, zur Bestimmung seines Verhaltens bemerken. Damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herren, 1 Cor. 11, 29. Einem wird gegeben, – Geister zu unterscheiden, Kap. 12, 10. Die Zeiten unterscheiden. Wofür man doch jetzt lieber sagt, einen Unterschied machen.

Anm. Bey dem Notker undirsceidon, bey dem Kero aber kescheidan, gescheiden oder scheiden. Das Zeitwort scheinet elliptisch zu seyn, und ein Scheiden oder Absondern unter oder zwischen mehrern Dingen zu bezeichnen; Lat. discernere. Siehe Unterschied.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 921-922.
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