Untugend, die

[938] Die Untugend, plur. die -en, der Gegensatz der Tugend, doch nur so fern dieses Wort im Concreto einzelnen Neigungen und Fertigkeiten bedeutet. 1. Eine vorsetzlich wider ein Gesetz streitende Handlung, die Übertretung eines Gesetzes in einzelnen Fällen, ingleichen eine lasterhafte Fertigkeit, Neigung u.s.f. wo es als der Gegensatz von Tugend ehedem sehr häufig für Sünde, Verbrechen, Laster u.s.f. gebraucht wurde. Untugend kommt vom Gottlosen, 1 Sam. 24, 14. Mein Zorn über ihre Untugend wird ein Ende haben, Es. 10, 25. Eure Untugenden scheiden euch und euren Gott von einander, Es. 59, 2. Die Sünde ist Untugend, 1 Joh. 5, 17; und so in andern Stellen mehr, wo es auch als ein Abstractum und ohne Plural, von dem Mangel der Übereinstimmung des moralischen Zustandes mit dem Gesetze, vorkommt. Doch in dieser ganzen Bedeutung wird es außer der biblischen Schreibart wenig mehr gebraucht. 2. In engerer und gelinderer Bedeutung, ist die Untugend, so wie Unart, eine üble Gewohnheit, eine Fertigkeit, welche dem angenommenen Begriffe der Vollkommenheit, oder auch der Tauglichkeit zu einer gewissen Absicht widerspricht. Ein Kind hat Untugenden an sich, wenn es üble Gewohnheiten angenommen hat. Stätigkeit, Beißen, Schlagen u.s.f. sind Untugenden an einem Pferde, Tücke, Faulheit u.s.f. an einem Hunde. Neigung zum Trunke, Untreue, Faulheit und andere lasterhafte Fertigkeiten pflegt man auch Untugenden an einem Menschen zu nennen, besonders im gelinden Verstande, und ohne Rücksicht auf ein Gesetz, sondern bloß in Beziehung auf den Begriff der Vollkommenheit.

Im Nieders. Undögt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 938-939.
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