Unverschämt

[944] Unverschämt, -er, -ste, adj. & adv. nicht verschämt, welches doch nicht so gangbar ist, als dieser Gegensatz, die gehörige Scham bey Seite setzend und darin gegründet. 1. Eigentlich. Man ist unverschämt, wenn man sich nicht scheuet, Dinge zu begehen, welche die Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit beleidigen, und in noch weiterm Verstande, wenn man Fertigkeit besitzt, sich an anderer billige Verachtung nicht zu kehren. Ein unverschämter Mensch. Ein unverschämtes Maul, welches sich nicht scheuet, Dinge zu sagen, welche wider die Wohlanständigkeit sind. Daher sagt man jemanden auch unverschämte Dinge, wenn man ihm Dinge sagt, welche die wohlanständige Achtung oder Ehrerbietigkeit verletzen. Eine unverschämte Lüge, wobey man sich nicht schämt, die Wahrheit auf eine grobe Art zu verletzen, und sich dadurch der Verachtung anderer auszusetzen. Unverschämt lügen. 2. In einigen engern Bedeutungen. (1) Fertigkeit besitzend, Handlungen zu begehen, welche die Ehrbarkeit und Keuschheit in hohem Grade verletzen, und darin gegründet. Unverschämt küssen, Sprichw. 8, 13. Laß mich nicht in Schlemmen und Unkeuschheit gerathen, und behüte mich vor unverschämten Herzen, Sir. 23, 6. (2) Die billige und wohlanständige Genügsamkeit in hohem Grade verletzend und darin gegründet. Eine unverschämte Bitte. Unverschämt fordern. Eine unverschämte Forderung.

Anm. Im Isidor unscama, im Nieders. unverschaamt, im mittlern Lat. expudoratus, im Niedersächs. auch ausverschaamt. S. Verschämt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 944.
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