Versehren

[1135] Versehren, verb. regul. act. durch Trennung des Zusammenhanges, besonders der äußern Theile, unvollkommener machen, wie verletzen, und von thierischen Körpern verwunden. Ir vil froelich stenden ougen diu hant so verseret mich vil fenden man, Heinr. von Frauenberg. Wan diu mir kunde das herze also verseren, Graf Rud. von Neuenburg. Jetzt gebraucht man es nur noch entweder in ganz allgemeinem Verstande, ohne den Grad der Verletzung zu bezeichnen, oder, und zwar am häufigsten, von geringen Beschädigungen oder Verletzungen. Die Mäntel waren nicht versehrt, Dan. 3, 27. Sich die Hand versehren, durch eine Streif- oder andere leichte Wunde. Im Feuer unversehrt bleiben. So auch die Versehrung. Ehedem wurde es auch figürlich für beleidigen gebraucht, welche Bedeutung in einigen Oberdeutschen Gegenden noch gangbar ist.


Auf daß ich nichts begehe wider Pflicht,

Noch möge dich mit Übelthat versehren,

Opitz.


Daß ihr versuchendes Gelüsten

Im öden Orte (in der Wüßte) Gott versehrt,

Opitz.


Anm. Es ist ein altes Wort, welches bey dem Ottfried auch firzaren lautet, und daselbst zerreißen bedeutet, S. auch Verzehren. Da das einfache sehren ehedem sehr häufig für versehren gebraucht wurde, und in den gemeinen Mundarten Ober- und Nieder-Deutschlandes noch gangbar ist, so erhellet daraus, daß ver hier eine bloße Intension bezeichnet. Seragaz herza, ein verwundetes Herz, Ottfr. Im Nieders. ist seren und serigen, noch verletzen, beschädigen, Schmerzen erwecken. Eben daselbst ist Seer, Serede, Serigheit, Seringe, sowohl Verletzung, Ausschlag, Grind u.s.f. als auch dessen Wirkung, der Schmerz, bey allen alten Oberdeutschen Schriftstellern gleichfalls Ser, Seru, im Schwed. Sär, Angels. Sar; Hartseer, Herzleid, serig, verletzt, serlig, bey dem Ottfried schmerzlich, in Oberschwaben ser u.s.f. Unsere Partikel sehr ist eine Figur davon, S. dieselbe, ingleichen Dorn. Das ציר, ängsten, scheint damit nahe verwandt zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1135.
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