Vertrauen

[1162] Vertrauen, verb. regul. welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, seine Wohlfahrt zuversichtlich von dem andern erwarten, wo es auf doppelte Art gebraucht wird. Sowohl mit der dritten Endung der Person oder Sache, von welcher man seine Wohlfahrt oder ein Gutes überhaupt erwartet. Einem vertrauen. Gott vertrauen, dem Herren vertrauen, sehr oft in der Deutschen Bibel. Du Heiland derer, die dir vertrauen, Ps. 17, 7. Vertraue unter tausenden kaum einem, Weish. 6, 6. Vertraue keinem Freunde, du habest ihn denn erkannt in der Noth, V. 7. Da es denn oft auch für das einfache trauen gebraucht wurde, jemandes Versicherungen für wahr halten. Als auch mit dem Vorworte auf. Auf Gott, auf den Herren vertrauen, in der Deutschen Bibel. Ihr Fels, darauf sie vertrauen, 5 Mos. 32, 37. Aufs eitle vertrauen, Es. 59, 4. Und so in andern Stellen mehr. Ehedem auch nur trauen. In beyden Fällen ist es in dem gemeinen Sprachgebrauche veraltet, wo man dafür lieber durch eine Umschreibung sagt, sein Vertrauen auf etwas setzen. S. auch vertraut.

2. Als ein Activum (1) Ein Ding dem andern mit zuversichtlicher Erwartung der Sicherheit desselben, übertragen, mit der vierten Endung der Sache, und der dritten der Person; eine Fortsetzung der vorigen Bedeutung. Einem etwas vertrauen. Die Menschen vertrauen ihr Leben geringem Holz, dem Schiffe, Weish. 14, 5. Dem der König viel vertrauete, 1 Macc. 7, 8. Jemanden sein Vermögen, seine Sicherheit vertrauen. Sich jemanden vertrauen, seine Person, seine Sicherheit, seine Wohlfahrt u.s.f. in dessen Gewalt geben. So vertraut sich ein Kranker dem Arzte. In engerer Bedeutung vertrauet man jemanden etwas, wenn es ihm in zuversichtlicher Erwartung seiner Verschwiegenheit, oder seiner Unfähigkeit eines üblen Gebrauches, entdeckt wird; im Vertrauen sagen. Jemanden ein Geheimniß vertrauen. Vertraue du ihnen nichts wenn sie gleich freundlich mit dir reden, Jer. 12, 6. Vertrauen sie mirs doch Gell. Ich möchte ihnen gern ein Paar Worte vertrauen, eben ders. So auch, als ein Reciprocum: sich jemanden vertrauen, sich ihm entdecken, ihm sein Anliegen offenbaren. In dieser ganzen Bedeutung ist in der Sprache des gesellschaftlichen Lebens auch anvertrauen üblich, wo das Vorwort an die Bedeutung verstärken soll.

(2) Verloben, zur Ehe versprechen. Eine Magd seinem Sohne vertrauen, 2 Mos. 21, 9. Eine Jungfrau, die noch nicht vertrauet ist, Kap. 22, 16. Ich will euch mir vertrauen, Jer. 3, 14. Ich habe mich vertrauet einem Manne, 2 Cor. 11, 2. Ingleichen mit dem Vorworte mit. Ich will mich mit dir vertrauen, Hos. 2, 19. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung ungewöhnlich, aber nicht im Niederdeutschen, woher Luther sie vermuthlich entlehnet hat. S. Trauen in der Bedeutung der ehelichen Verbindung.

Schon bey dem Notker in dem Neutro und der ersten thätigen Bedeutung vertrouen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1162.
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