Verwegen

[1174] Verwêgen, -er, -ste, adj. et adv. sich ohne Noth in Gefahr begebend, alle vernünftige Vorstellung eines bevor stehenden Übels bey Seite setzend, und darin gegründet. Man ist verwegen, wenn man sich ohne Noth, ohne daß man durch eine Pflicht dazu bewogen würde, in Gefahr begibt. Ein verwegener Mensch. Verwegen handeln. Ein verwegenes Unternehmen, ein verwegener Einfall, eine verwegene Antwort. So auch die Verwegenheit, der Zustand, da man alle vernünftige Vorstellung der Gefahr bey Seite setzt, und die darin gegründete Beschaffenheit. Zuweilen auch eine verwegene Handlung, in welchem Falle es denn auch den Plural leidet.

Anm. In einigen gemeinen Mundarten verwagen, verwogen. Es ist eigentlich das Mittelwort des veralteten Zeitwortes verwagen, sich verwagen, zu viel wagen, mehr unternehmen, als man auf eine vernünftige Art unternehmen sollte. Im gemeinen Leben einiger Gegenden wird dieses Zeitwort noch für sich vermessen gebraucht; er verwog sich, dieses oder jenes zu thun, wo es denn nach alter Art zugleich irregulär abgewandelt wird. Daß ver hier eine übertriebene Beschaffenheit bedeutet, erhellet auch aus dem Schwed. oförwägen, verwegen, gleichsam überwagend. Dieses Zeitwort wurde aber ehedem auch in einem guten Verstande für unternehmen überhaupt gebraucht, ohne Zweifel nach einer andern Bedeutung der Partikel ver. Er verwuch sich einer großen Heerfahrt, ein alter Schriftsteller bey dem Frisch.


Eins avents nach ein Maynregn

Het ich spacierens mich verwegn,

Hans Sachs.


Ob nun gleich dieses Wort unmittelbar von wagen abstammet, so ist es doch deßhalb nicht nothwendig, es mit einem ä zu schreiben, indem ä und e in tausend andern Fällen mit einander abwechseln. S. Wagen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1174.
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