Vielleicht

[1203] Vielleicht, adverb. welches gebraucht wird, die Möglichkeit einer Begebenheit oder eines Satzes zu begleiten. Vielleicht kommt er, vielleicht auch nicht; es ist möglich, daß er kommt, und möglich, daß er nicht kommt. Er wird vielleicht noch heute kommen. Es möchten vielleicht noch einige Gerechte zu Sodom seyn, 1 Mos. 18, 24. Ich möchte vielleicht sterben, Kap. 26, 9. Alle dachten in ihrem Herzen von Johanne, ob er vielleicht Christus wäre, Luc. 3, 15. Vielleicht sitzest du jetzt beym wärmenden Feuer, Geßn. Ich will deinen Wellen folgen, vielleicht führst du mich öden Gegenden zu, eben ders. Was willst du mit deinem Vielleicht? Gell. Zuweilen leidet es daß nach sich, wo doch der Ausdruck elliptisch ist.


Vielleicht, daß in der Todesnacht

Dieß seinen Schatten ruhig macht,

Haged.


Anm. Frisch glaubte, die letzte Sylbe in diesem Worte sey die Ableitungssylbe -icht, und wollte es daher nur mit einem l vieleicht geschrieben wissen; und so schrieb es auch Gottsched. Allein, beyde hätten nur auf den Ton merken dürfen, so würde er sie überzeugt haben, daß hier keine Ableitungssylbe Statt findet, sondern daß leicht das Hauptwort in der ganzen Zusammensetzung ist. Das Wort ist aus viel, sehr, und leicht zusammen gesetzt, und stehet elliptisch für die Redensart, es kann sehr leicht seyn, kann seyn, Franz. peut-être, welches gleichfalls als ein Nebenwort gebraucht wird. Daher schrieben es die Schwäbischen Dichter und ihre Zeitgenossen ausdrücklich und getheilt vil licht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1203.
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